Kleinstadtleben

Und weil wir grade so schön drin sind und der Himmel leicht bedeckt ist, düsen wir mit frisch geflickter Scheibe (die Macke sieht nun aus wie ein eingeschlossener Wassertropfen) gleich weiter nach Eksjö.
Und weil wir grade so schön beim Thema Städte sind:

Schweden ist etwa doppelt so groβ wie Deutschland. Auf's Land verteilen sich ca. 9,5 Mio. Einwohner, davon 80%  in den Städten Stockholm, Göteborg und Malmö. Bleiben also knapp 2 Millionen für den Rest. Das bedeutet, alle anderen leben in Dörfern und Kleinstädten. Und um es jetzt mal ganz persönlich und subjektiv zu verallgemeinern, Dörfer sind cool, Kleinstädte nicht.

Kleinstädte haben gerne überproportional große Industriegebiete mit dem ganzen Baumarktoutletfriedchickenihrwisstschonwasichmeinegedöns, deswegen auch vor sich hinsiechende Stadtkerne. Man trifft überproportional viele Menschen mit verspielten Designerbrillen und Nail Art. Oft ist die modernere Architektur (gerne das Rathaus) geschmackssicher in die Hose gegangen und es gibt, seit Kreuzungen zu Kreiseln umgebaut werden, das Phänomen der Verkehrsinselkunst, die Ragnarök vorwegnimmt.

Das alles gibt es natürlich auch zu Hause, wir haben sogar seit Neustem ein American Nail Studio im Nachbarhaus, aber hier können eben auch nette Cafés, Bioläden, Fahrradklitschen und im Notfall Läden, die gleichzeitig Eis, vegane Schlappen und Pappstühle vertickern, überleben. Dörfer haben keine Industriezone, weil sie die von Kleinstädten nutzen, selten Tourismusambitionen und darum auch keine Namenzusätze wie „Woldegk – Stadt der Windmühlen" (wir waren da, find die mal), außerdem ist man schnell wieder draußen, weil es keine Einbahnstraßen gibt, die einen ständig im Kreis führen.

Vetlanda, wie kann es anders sein, ist die nächstgelegene Kleinstadt, hat aber keine Verkehrsinselkunst und kaum Designerbrillen, einen fetten Supermarkt, der Willys heißt und die ganzen schon erwähnten Köstlichkeiten anbietet, sowie eine auffällige Dichte an Frisörläden. Außer zum günstigen Mittagsbuffet im Restaurant am Eingang zur Fußgängerzone ist kaum ein Mensch auf der Straße (sind wahrscheinlich alle beim Frisör). Da es dort aber unseren Autoglasreparateur gibt, ist es die mit Abstand tollste Kleinstadt Schwedens.

Eksjö ist für seine Holzhäuser berühmt. Genau. Fertig. Aber schön, sonst siehe Vetlanda. Obwohl – es gibt einen Laden mit nachhaltig hergestellter Kleidung und ich kriege topp Unterhosen.

Jönköping ist etwas größer als der Rest, am Vättern, dem zweitgrößten See Schwedens gelegen hat es sogar eine richtige Fußgängerzone. Eigentlich sogar mehrere. Es beherbergt das berühmte Streichholzmuseum, welches aber im September etwas früher schließt, als wir uns vorstellen konnten, Pech gehabt. Sonst siehe Vetlanda und Eksjö ohne die Holzhäuser.

Hultsfred: Hier ist Henryk Filmvorführer. Der Ort ist bekannt für das größte Rockfestival Schwedens, – als Metallica hier spielten, wurde extra ein kleiner Wald für Parkplätze gerodet, das Festival ging aber 2010 pleite und findet jetzt unter gleichem Namen in Stockholm statt. Es gibt auch eine riesige Holzmaterialversuchsanlage von Ikea. Ansonsten siehe Vetlanda.

Epilog:
Ohne Supermarkt, Bank und Tankstelle wären wir selbstredend aufgeschmissen, ganz zu schweigen, was Henryk ohne Baumarkt täte, trotzdem sind wir heilfroh, als wir wieder bei den Pilzen parken, wobei ich nicht zivilisationsmüde bin, es sind die Designerbrillen.

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