Wildes Kroatien, Teil 2

Nach gut zwei Wochen können wir dem rauhen Charme Kroatiens doch Einiges abgewinnen. Beginnt der Einstieg ins Land entlang der Küstenroute, landet man direkt in der Pauschaltouristenvorhölle. Hier hat es Hotels, Appartements und alles was Mann/Frau für einen schnellen Badeurlaub benötigt, architektonisch zudem in spätsozialistischer Pracht. Die Strände klein und steinig, die Buchten steil abfallend, kantig und sperrig. Das Wasser allerdings kann es wohl mit jedem Ort der Welt aufnehmen. Klar, bis in die Tiefe transparent und man kann den Seeigeln und Seegurken, die es hier in großer Zahl gibt, beim Dümpeln zusehen. Weiter im Süden wird es zusehends netter und unser Stellplatz bei Tisno hatte ja seine Qualitäten.

Möchte man allerdings in eine komplett andere Welt eintauchen, so dauert dies – wenn man sich sputet – etwa 40 Minuten. So lange nämlich ist die Fahrtzeit angegeben, die wir von Tisno auf der Insel Murter zum neuen Stellplatz in den Bergen brauchen. Aber erst noch, weil ganz in der Nähe, zu den Krka Wasserfällen, wie im letzten Eintrag bereits berichtet ...

Wenn man bei Google Maps nicht den vorgeschlagenen, schnellsten Weg nehmen möchte (was wir selten tun, weil man dann ja nur den schnellsten Weg fährt), werden Alternativstrecken angeboten, die es manchmal in sich haben. Merke: Wenn die zu fahrenden Kilometer den noch zu fahrenden Minuten entsprechen, dann ist man zwar auf kleinen Straßen, aber sicher und komfortabel unterwegs. Wenn die Zahl der Kilometer eklatant kleiner ist als die Minutenzahl, dann geht es gerne über Stock und Stein in die Wallachei. In Portugal beispielsweise standen wir einmal im Dunkeln vor einem breiten Bach, den wir durchqueren sollten, leider dann völlig ohne Alternativangebot. Da die dargestellten Wege auf dem Bildschirm immer gleich gelb angezeigt werden, man also Schnellstraßen nicht von Ackerfurchen unterscheiden kann, ist man arglos und unbeschwert, bis es mal wieder rechts ab auf eine Schotterpiste geht. Wirklich beeindruckend, dass diese Wege überhaupt alle aufgeführt sind.

Die ausnahmsweise schnellste Strecke zu den Krka Wasserfällen endet in einer Baustelle auf der einzigen Zufahrtsstraße. Umleitungen werden keine angeboten und so versuchen es alle Suchenden auf eigene Faust. Die einen dort entlang, die andern da entlang, wir versuchen es hier entlang, landen auf Wiesen, in Vorgärten und irgendwann tatsächlich am Eingang zum Park. Elle hat die Schnauze logistikbedingt voll und ich sowieso andere Probleme. Die Allergie, die mir die letzten Tage eine nervend dichte Nase beschert hat, schenkt mit auch noch tränende Augen und heute rieb ich mir auf dem Weg (bereits zum zweiten Mal) ein Sandkorn ins Auge. Elle meint schlauischlau, reiben würde es nur noch schlimmer machen, aber pure Vernunft darf niemals siegen. Ich bin so auf 180, dass Elle beim nächstbesten Café halten muss, wo ich mit chloriertem Wasser auf der Toilette eine ausgiebige Augenspülung mache und nun nämliches Sandkorn immer noch plus ein kaninchenrotes Auge habe. Kurz vorm Durchdrehen geht's zur nächsten Apotheke. "Nein, mein Auge sieht nicht immer so aus, ich habe mir gerade Chlorwasser reingeschüttet", "Ach so, aber vielleicht sollte es sich doch mal ein Arzt anschauen", sagt die Apothekerin und gibt mir künstliche Tränenflüssigkeit mit. Tatsächlich ist zwei Minuten später das Sandkorn draußen, dafür brennt das Chlor fürchterlich und als nächstes kommt sicher eine Bindehautentzündung. Jeder mit seinem Zustand beschäftigt, stehen wir also auf dem Parkplatz des Krka Nationalparks inmitten der ganzen Wasserfall-Shuttlebusse und Souvenirläden, und die Wasserfälle können mir gerade mal den Buckel runter rutschen.

Genausogut können wir schon jetzt den anvisierten Stellplatz in den Bergen aufsuchen. Schnellste Strecke, nöö, bloß keine Autobahn, lieber die kürzeste. Schlussendlich sind von den 60 km etwa 40 Feldweg, 20 davon eher Kuhtrampelpfade. Im 2ten Gang mit 20 km/h rumpeln wir dem Ziel entgegen und denken ans Sterben, ich jedenfalls. Wir übersehen fast, durch welch eine wundervoll surreale Landschaft wir fahren. Bizarre Steinformationen, Pflanzen mit prächtigen Blüten und Sträucher voller Beeren, Vögel, Schmetterlinge, ab und zu ein Schäfer mit seiner Herde, Kühe, Esel, zerdetschte Schlangen am Wegesrand, Kirchenruinen aus Felsgestein gestapelt mitten im Nichts, ab und zu ein Stall, eine Mauer oder aber auch ein Neubau neben eingefallenen und zerschossenen Häusern. Und immer wieder ziehen neue Kulissen auf.

Am Horizont ein wild gezackter Bergrücken, Auenland und Mordor zugleich und noch immer 3 Meilen bis Buffallo, oder zur nächsten Straße, die eine Nummer trägt und ergo asphaltiert ist. Auch das ist irgendwann geschafft und der Stellplatz nicht mehr weit. Bei den angegebenen Koordinaten angekommen, liegt vor uns eine Wiese mit Bauschutt. Hm. Bloß nicht hysterisch werden. Etwa 2 km die Straße runter legte Elle eine Vollbremsung hin, weil eine Schildkröte die Straße überquerte (auf die augenscheinlich auch schon mal ein Auto draufgerauscht war, siehe eingedellter Panzer). Im Augenwinkel glaubte ich, so etwas wie Rezeption auf einem Schild gelesen zu haben, das zu einem Abzweig nach links wies.

Dorthin zurückgefahren steht auf dem Schild zwar was völlig anderes, dennoch ist es der richtige, weil einzige Weg. Und so biegen wir ein in das entrückte Tal von Zrmanje! Eine stählerne Brücke führt über den Fluss, der sich hier verzweigt und verbreitert und kleine Grasinseln umspült. Am Ufer liegt der Stellplatz und vorne beim Haupthaus rauscht ein mächtiger Wasserfall, nicht hoch, aber gute 50 m breit. Schwalben jagen im Sonnenuntergang über das glasklare Wasser, Enten tuckern durch die Kanäle, Libellen hangeln von Blatt zu Halm und die Frösche singen sich ein.

Zugegeben, von der anderen Seite wären wir wie alle anderen auf einer ganz normalen Straße bequem hierher gekommen, aber wie banal wäre das gewesen. (Abgesehen davon wussten wir gar nicht, dass es sie gibt.) Erledigt, zufrieden, beglückt, in den Abendhimmel schauend und vom Tiergesang begleitet bauen wir unser Abendessen auf. Was für ein Tag.

Ein Kommentar bei „Wildes Kroatien, Teil 2“

  1. Wunderschöner Platz. Muss man sich merken.

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