Burg Herzberg

Gibt es denn überhaupt noch Hippies? Eine Frage, die ich bis 1998 spontan verneint hätte. 1998 spielten wir (mit den 17 Hippies – und ja, es klingt paradox, dass ich der Überzeugung war, es gibt sie nicht mehr) zum ersten Mal auf dem Burg Herzberg Festival und da waren sie plötzlich alle. Das erste Festival fand hier in der Nähe schon 1968 statt. Nach einer längeren Pause von 1973 bis 1990 erlebte es – initiiert von Kalle Becker, den ich in einem anderen Zusammenhang kennenlernen durfte – 1991 seine Wiederauferstehung und dürfte mittlerweile eines der größten seiner Art in Europa sein. Ich bin sicher, jede Band aus den 60ern und 70ern, deren Mitglieder überlebt haben, sind hier schon aufgetreten. Allein wir – eine Band der 90er – schon drei mal.

Burg Herzberg Festival
Hofhuhnstadt
36287 Breitenbach am Herzberg

Wie gesagt, 1998 war ich mehr als überrascht über das Publikum, 20 Jahre später hat sich nicht viel verändert – außer, dass die Originale auf und hinter der Bühne mittlerweile sehr alt sind, das Publikum davor hingegen erfreulicherweise stetig nachgewachsen ist. Eine Woche vor Festivalbeginn kommen die ersten Fans angereist und im Laufe der Tage wird ein riesiges Heerlager im Zeichen von „Love & Peace“ errichtet.

Auch immer gleich ist das schlechte Wetter. Wird man nur von oben nass, ist das nicht der Rede wert, im Normalfall versinkt man irgendwann rundum im Schlamm. Aber wir haben Glück, als wir nachmittags ankommen, ist es zwar schwül, aber trocken. Allerdings – je näher der Auftritt am frühen Abend rückt, desto mehr dunkle Wolken ziehen auf und zum Konzert begleitet uns erster Nieselregen. Und nein, das juckt hier wirklich niemanden.

Hauptact des heutigen Tages ist Graham Nash, der in den frühen 60ern Gründungsmitglied der Hollies war (sehr berühmt), um danach mit Crosby, Stills and Nash (richtig berühmt) Musikgeschichte zu schreiben. Ich habe ihn mir kleiner vorgestellt, denke ich, als ich ihn Backstage sehe, aber er sieht ziemlich smart aus. Sein Auftritt ist bewegend (jetzt regnet es richtig) und ich kenne die meisten Stücke, ohne zu wissen, dass er sie geschrieben hat. Außerdem ist er doch ziemlich klein, ich habe ihn vorhin einfach verwechselt.

Elle und ich sind mit dem Bulli angereist und wollen am nächsten Tag weiter, der Rest der Band fährt irgendwann ins Hotel, wir bleiben vor Ort, sitzen noch im geplünderten Backstage, essen die letzten Chips und schauen hinaus in den Regen.

Beim ersten Festival mussten die Bandbusse von einem Traktor aus dem Schlamm gezogen werden, darüber sinnierend ist mir die Sache irgendwie auch heute nicht geheuer. Nach einer warmen Dusche im Artistbereich (letzte Vorteile nutzen) beschließen wir die Flucht nach vorne und starten in die Nacht, um doch anderswo ein Plätzchen zum Übernachten zu finden.

Wir landen am Pfordter See in 36110 Schlitz, hier ist es von oben nicht minder nass, aber dabei äußerst ruhig und die Wiese ist stabil. Das ist gut so, denn unsere 4-wöchige Sommerreise beginnt: heute. (Und Spoiler: Es ist nicht das einzige Hippie-Konzert, was wir mit Rambo begleiten werden.)

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