Der Rost frisst unseren Bus, der Lackierer meines Vertrauens weigert sich, den Bulli zu sanieren, zu viel Aufwand meint er und man weiß nie, was zum Vorschein kommt, wenn man mal anfängt. Na toll, der Anfang vom Ende? Noch nicht. Unser Schrauber nämlich meint, er hätte schon alles gesehen und will sich der Sache annehmen.
Diese Einleitung braucht es, denn kurz vor der Einlieferung in die Werkstatt wollen wir nochmal raus und sei es nur zu 1 Übernachtung im Umland. Mit Unmengen Proviant, man weiß ja nie, geht’s zum Nachmittag los Richtung Angermünde und Wolletzsee. Auf der Wiese oberhalb des Freischwimmbads haben wir schon mal zwei Nächte verbracht und sind ob des Ausblicks und der Möglichkeit, unter Bäumen um den Seen zu marschieren, jetzt schon zufrieden, mehr Abenteueraussicht braucht es für die kurze Sause nicht.
Wohnmobilstellplatz an der Blumberger Mühle
Blumberger Mühle 2
16278 Angermünde
Die Wiese ist bis auf einen Camper leer – trotz verlängertem Christi-Himmelfahrt-Wochenende und gutem Wetter –, man weiß gar nicht, wo parken bei so viel Raum, akribisch bringen wir Rambo zentimetergenau auf dem einzig richtigen Platz in Stellung. Komisch eigentlich, dass hier niemand ist. Erst als wir runter zum Freibad schlendern, sehen wir das frische 'Campieren + Übernachten verboten' Schild. Hm. Wir beschließen zwar, es nicht gesehen zu haben, sind aber dann doch zu unentspannt und außerdem wird in einer der Datschen am See die Anlage für die gleich startende Party getestet. So gesehen fällt der Abschied nicht all zu schwer und es ist ja noch ein bisschen hell und ich habe auch schon eine Alternative in der Nähe gefunden. (Dirks verlässlicher Plan B: Ein Hoch auf den Mann und seine Ausweichplätze!)
Als wir ankommen, stellen wir fest, dass wir den Ort unweit der Blumberger Mühle bereits kennen, als Landvergnügen-Stellplatz vom Biohof Gut Kerkow. Damals war es uns zu heiß und die Lage zwischen zwei Bahntrassen zu laut, heute ist alles knallvoll und wir nehmen gern noch das letzte Plätzchen. Laut sind diese Nacht nur die vielen Vögel, es ist herrlich viel Gezwitscher, die Nachtigallen singen bis zum Morgen, überhaupt ist alles Getier paarungswillig am Start.
Das Nabu Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle ist das größte im Osten und auch wenn von der Mühle nur noch ein paar Fundamente stehen und auch nicht dort, wo das Zentrum neu errichtet wurde, so werden die damals angelegten Fischteiche hinter dem Gebäude noch genutzt. Die Teichflächen sind riesig und jetzt im Frühling voller Leben. Alles was kann, pfeift, trillert, unkt, schwirrt, schwimmt, summt, krabbelt und oder fliegt. Ein Ton sticht besonders hervor, es klingt, wie wenn man über eine Flasche bläst, ein tiefes langes uuuuuuhhhh.
Das ist der Ruf der Rotbauchunke, die nur hier im Nord-Osten vorkommt, im Süd-Westen uht dagegen die Gelbbauchunke, weiß der Nabu-Mitarbeiter am nächsten Morgen zu berichten. Es ist kurz vor zehn und gleich beginnt der Vortrag über Bienen vom Imkermeister persönlich. Dass der Vortrag stattfindet, hatten wir am Abend zuvor noch im Ankündigungsplakat am Nabu-Eingang gelesen, bevor wir noch eben zu den Teichen schauten und uns ein wenig verlaufen haben oder sagen wir, in der Entfernung der Teiche, Wege und Bahntrassen etwas verschätzten.
Toll, noch nicht Mittag und wir wissen schon alles über Bienen, haben die hauseigenen Stöcke begutachtet, Honig aus Waben gelutscht, den Bienen beim Vorbereiten auf's Schwärmen zugeschaut, also wenn die alte Königin mit einem Teil des Volkes ausfliegt, um eine neue Bleibe zu suchen (was der Imker gar nicht mag), und anschließend noch ein Runde über das weitläufige und schön angelegte Gelände gedreht.
Da das Wetter immer besser wird, geht's weiter zum Lineé Park in Criewen, angeschlossen an den alten Gutshof. Von hier aus startet eine Wanderung an der alten Oder entlang Richtung Stützkow, dort über eine Brücke und auf der anderen Seite wieder zurück, eine Runde von 3-4 Stunden. Vorher noch ein Eis im Ortscafé und in das auf dem Gutshof untergebrachte Nationalparkhaus (man beachte die Doppeldeutigkeit). Das Highlight hier sind verschiedene Aquarien mit einheimischen Süßwasserfischen und ein Modell der Umgebung, bei der eine Oderüberschwemmung simuliert wird und man selbst versuchen kann, mit kleinen Metallsperren das Wasser abzuleiten, um das Schlimmste zu verhindern. Leider ist die Anlage gerade außer Betrieb.
Durchquert man den hübschen Park geht es anschließend im Schatten alter Bäume auf einem schmalen Pfad an der alten Oder entlang. Auf den ersten 5 km sind wir die einzigen Wanderer, sehr beschaulich und weit weg von allem. Es hat Mücken, okay, aber irgendwas ist immer und sie stechen eh erst mal Elle.
Wir haben Halbzeit, heißt, die Oderüberquerung in Stützkow liegt vor uns und in unserer Fantasie gibt es mindestens ein ambitioniertes Kiosk, was uns eiskalte Getränke servieren könnte. Aus Erfahrung haben wir aber wenig Hoffnung darauf, daher ist die Überraschung umso größer, dass wir nicht nur von weitem bereits mit lauter Schlagermusik empfangen werden, was alles heißen kann, sondern beim um die Ecke biegen direkt im Stützkower Brückenfest landen. Wimpelketten schmücken die Geländer, die Brücke ist voller Bierbänke und Menschen und in der Mitte wurde eine kleine Bude aufgebaut, in der sich ein Duo ganz passabel mit Gesang und Keyboard durch den deutschen Schlagerfundus arbeitet. Daneben ein Grill mit Wurst, Buletten und Nackensteak, anschließend die Kuchen und Getränketheke. Die ganze Ortschaft ist vertreten, hat gebacken, verkauft Getränkemarken, holt Bulettennachschub (der Opa muss doch noch welche in der Truhe haben). Na dann, erst mal Kuchen und Wein und dann weitersehen.
Gerade als wir ein Plätzchen gefunden haben, wechselt das Entertainment. Auftritt Uschi und Eberhard aus Eberswalde. Eisenharte Profis, Stimmungskanonen mit randvollen Munitionskästen. Jetzt geht’s looohoos, ruft Uschi, leider nicht gleich, weil niemand die Anlage bedient, also muss Eberhard die Playtaste finden, die Mikrofone sind heillos übersteuert und Uschi überbrückt die Pause mit launigen Ansagen, wir holen uns vor lauter Schreck noch eine Bratwurst. Endlich – „Ein Stern der deinen Namen trägt“ läuft und da zu Vollplayback gesungen wird, fällt deutlich auf, das beide weder text- noch melodiesicher sind. Aber gut, Eberhard ist weit in den 70igern und Uschi mit Animation beschäftigt, „und alle singen mit huhuhu“. Vermutlich kommt irgendwann noch eine Polonaise, aber da sind wir schon auf dem Rückweg, „letztens war ich beim Arzt, da sacht der …“ weht es noch ganz leise herüber, was genau er sagt, ist schon nicht mehr zu hören.
Beschwingt, aber auch bedient im zweifachen Sinne treten wir die Rücktour an, mit der heißen Nachmittagssonne im Rücken, gut, dass wir nicht andersrum gegangen sind, denn nun ist eher Feld als Wald. Dafür begegnen uns Störche und Schafe und schon sind wir wieder zurück beim Gutshof.
Den Versuch, auf der Heimfahrt noch was essen zu gehen, lassen wir nach zwei missglückten Anläufen sein, es wird (wie meistens) die kulinarisch verlässlichere Versorgung im heimischen Kiez. Aber Rambo kriegt noch ne Wäsche, bevor er zum Entrosten kommt, soll ja nen ordentlichen Eindruck machen.
Nur eine Nacht außer Haus, aber echt viel erlebt.