Grândola, braungebrannte Stadt ... so heißt es in dem Liedtext. José Afonso schrieb das Lied 1964 für den „Musikverein Arbeiter-Brüderlichkeit“ in Grândola. Der Text bezieht sich auf die Solidarität der Landarbeiter und – in Anspielung an die Prinzipien der Französischen Revolution – ihre Werte Gleichheit und Brüderlichkeit. Grândola wird als sonnige Stadt besungen, in der man an jeder Ecke auf einen Freund und in jedem Gesicht auf Gleichheit trifft. Afonso verwendet das Bild der Steineiche, "die ihr Alter nicht mehr weiß", in deren Schatten der "Schwur von Grândola" geleistet wird.
In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1974 sendete der katholische Rundfunksender Rádio Renascença das Lied, die Zeitung República hatte schon am Vorabend für Eingeweihte den kleinen Hinweis gebracht, das Musikprogramm der Nacht sei besonders lohnend. Um 0:25 Uhr wurde die erste Strophe verlesen: "Grândola, braungebrannte Stadt, Heimat der Brüderlichkeit. Das Volk ist es, das am meisten bestimmt in Dir, o Stadt." Anschließend wurde das Lied zweimal in voller Länge abgespielt, gesungen von José Afonso. Dabei war schon die Nennung des Namens José Afonso in der Presse verboten. Für die eingeweihten Soldaten und Zivilisten war es das vereinbarte Zeichen für den Beginn des Aufstands gegen die salazaristische Diktatur.
Auch wenn es nicht jedem Radiohörer sofort klar war, worauf genau dieses Signal abzielte, war dessen Aufrufcharakter deutlich erkennbar. Als die Truppen des MFA, die gegen 5:30 Uhr durch die Avenida da Liberdade ihre ersten Ziele in der Hauptstadt ansteuerten, säumten schon Tausende von Lissabonern, allen Ratschlägen der Operationszentrale des MFA zum Trotz, die Straßen. Sie liefen neben den Armeefahrzeugen her, jubelten den Befreiern zu, viele sprangen sogar auf. Die junge Truppe empfand die überschäumende Begeisterung der Bevölkerung nicht als störend, sondern als Bestätigung und Anfeuerung. Der Zug der Kolonne glich einem Triumphzug. Die ersten roten Nelken tauchten auf – im April haben sie Saison –, mit ihnen wurden die Uniformen der Soldaten und ihre Gewehrläufe geschmückt. Nach den Blumen erhielt die Revolution den Namen "Nelkenrevolution".
Knapp 18 Stunden nach der Ausstrahlung des Liedes war Europas älteste Diktatur gestürzt.
(Quelle: Wikipedia)
Sonnig oder braungebrannt war es nicht bei unserem Besuch, eher bewölkt und farblos. Den Platz mit der wichtigen Hymne haben wir auch nur zufällig gefunden – auf der Suche nach dem Intermarché.
Subtil nehmen wir vielleicht dennoch die Symbolik des Ortes in uns auf – wir fahren in melancholischer Stimmung weiter. Oder liegt es am dramatischen Datum? Aufgeladener kann der 9.11. ja bald nicht mehr werden ...
Vielleicht hilft es ja, an diesem Tag einen Ort zu besuchen, der den Umsturz feiert, die Befreiung, den Mut zum Widerstand. Hoffen wir's.
Und dann wird die Umgebung irgendwie afrikanisch ... oder erinnert es an Costa Rica? Hm. Jedenfalls hat's hier wieder Störche.
Kein Wunder, kommen wir doch durch Alcácer do Sal, der Stadt, die tatsächlich mit den Störchen wirbt. Und wie wir sehen werden, mit Recht, denn sie haben echt eine Menge mehr als Silves ...
Alcácer ist umgeben von Reisfeldern, daher die Beliebtheit bei den Vögeln. Wir fahren westlich weiter raus Richtung Meer, immer am Sado entlang zur langen Landzunge, die gegenüber von Setúbal – also kurz unter Lissabon – das Wasserbecken einschließt. Pinienwälder und Dünen säumen die Straße, alles mischt sich, Erinnerungen an Italien, Arcachon, Afrika ...
Ein aufwühlender Tag. Aber noch nicht zu Ende.