Den Preis, den wir für unsere Wendigkeit und den Stealthmode zahlen, ist ein gewisses Maß an Unbequemlichkeiten. Blech und Dämmung sind dünn und der Weg ins nächste Gebüsch bei frostigen Temperaturen immer zu weit. Entlang der Küste der Côte d'Azur Richtung Costa Brava ist es zwar wärmer, aber leider auch dicht bebaut und am ersten warmen Wochenende des Jahres fahren alle ans Meer. Also wieder zurück ins Landesinnere = ziemlich schnell wieder die Berge hinauf und so kurven wir nach einem halben Stündchen prompt wieder über verschneite Serpentinen. Der Weg durch's Gebirge ist der wesentlich interessantere, aber dauert ewig. Straßen sind gesperrt und wollen per hanebüchenen Umwegen umgangen werden und ein Espresso, den man gut gebrauchen könnte, wartet schon gar nicht an jeder Spitzkehre.
Meinen Plan, von Nizza aus den Panoramaweg an der Gorges du Verdon, der tiefsten Schlucht Europas zu nehmen und dann auf der Höhe von Marseille wieder an die Küste zu kommen, verschieben wir auf die Rückreise. Wir wollen einfach wieder raus aus dem Gebirge, bevor es dunkel wird. Aus den anvisierten drei Stunden sind inzwischen acht geworden, da der „lass uns mal eben an dem Bauernhofstellplatz vorbeischaun, der legt eh auf der Strecke“ leider noch geschlossen hat und genau genommen auch nicht auf der Strecke liegt. Das einzige, was die Laune nicht in den Keller sacken lässt, ist die sagenhafte Bergwelt. Wie ein riesiger Nussstrudel hat sich das Gebirge gefaltet und türmt sich gewaltig hinauf, während wir durch die engen Schluchten gondeln.
Irgendwann sind wir oben und unter uns schimmert tiefblau ein See in der Abendsonne. Wenn man da stehen könnte, müsste man jetzt nicht noch zwei Stunden durch die Gegend bis zur Küste huckeln. Eigentlich haben wir den Ort nicht auf dem Schirm, aber unglaublicherweise soll es hier sogar einen Stellplatz geben. Diesen gibt es zum einen tatsächlich, zum andern parken wir premium fast direkt am Wasser, zwei-drei andere Camper (alles Bullis) haben sich ebenfalls eingefunden und wir kriegen sogar noch etwas Proviant im kleinen Ort Les Salles du Verdon, den man am östlichen Ufer neu aufgebaut hat, als das alte Dorf dem Stausee geopfert wurde. War mir nicht so, als hätte ich im Augenwinkel eine Kirchturmspitze aus dem Wasser ragen sehen? Für Spukgeschichten sind wir natürlich zu alt und obwohl es mal wieder ziemlich kalt wird, ist es drinnen unter Decken und Fellen sehr behaglich.
Irgendwann macht es ein lautes Geräusch, direkt an der offenen Seitentür. So unerklärlich, dass wir beide übereinkommen, es nicht gehört zu haben. Oder doch mal nachsehen? Eine Müllspur zieht sich vom Auto weg – huch, wir wurden bemüllt, aber von wem? Dann erst fällt mir auf, dass unsere Mülltasche, die normalerweise an der Schiebetür hängt, weg ist und es leider unser Abfall ist, der sich da in der Dunkelheit verliert. 10 m weiter liegt die Tasche und irgendwas verschwindet im Gebüsch. Auf dem Weg zurück zum Bus wieder eine Bewegung hinter mir. Im Licht der Taschenlampe pflügt ein Fuchs durch den Müll, sehr unbeeindruckt vom Licht, mir und meinem Erschrecken. Ganz klar, ich werde ihn nicht um seine Beute bringen. Leider, armer Fuchs, haben wir nur Verpackung und Kaffeesatz im Müll, ich überlege, ob ich ihm nicht wenigstens einen Scheibe Mortadella für seine Mühe geben sollte, aber als er sich endlich frustriert trollt und ich den ganzen Kram mühsam wieder einsammle, denke ich mir, vergiss es. Was mich noch tagelang beschäftigt, ist die Lautlosigkeit, mit der sich der Fuchs an die Tasche herangeschlichen hat, die ja keine 20 cm von mir hing. Vermutlich ist das gar nix Besonderes, das ist einfach, was Füchse gut können, wir begegnen eben nur selten welchen, um an ihrer Kunst teilzuhaben. Wenn ich bedenke, wie oft wir schon bei offener Tür und Klappe geschlafen haben ... nee lieber nicht dran denken.
Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass wir gestern schon den Panoramaweg durch die Schlucht gefahren sind, siehste mal, so kann’s gehen.