Geht hoch.
Da Vent aufgrund seiner Lage in einem Lawinengebiet nicht größer werden darf und der Ort seit Jahrzehnten nicht weiter bebaut werden kann, ist hier die Zeit zwar nicht stehen geblieben, schreitet aber nur gemächlich voran. In fast jeder Hinsicht gut für Old-School-Reisende wie uns. In den 70ern und 80ern wurde ein wenig mit Beton experimentiert, was allgemein in die Hose ging und auch keine schöne Patina angesetzt hat, aber Schwamm drüber und mehr konnte aus Platzmangel nicht verschandelt werden. Konsequenterweise gibt es nur einen Laden im Ort, an dem man zu eigenwilligen Öffnungszeiten das Nötigste bekommt, um nicht zu verhungern, Blessuren zu versorgen oder seine Bergausrüstung zu komplettieren. Auch die Küche vor Ort ist sich treu geblieben und würde man hinschreiben, was man bekommt und würde dazu stehen, wäre auch nach wie vor alles in Ordnung, sozusagen das AC/DC Rezept. Eine Bombenspeisekarte zu basteln und dann Kantinenniveau zu bieten, finde ich nicht ganz so ok. Im Winter hatten wir wohl einfach Glück – aber nochmal ein Schwämmchen drüber, deswegen sind wir ja nicht hier. (Am Besten ist es, vorher ordentlich einzukaufen und selbst zu kochen, oder man hält sich an Kasnockerln, oder siehe unten.)
Wir sind hier, um die nächste Bilderbuch-Wanderung mit wenig Menschen zu machen. Sie geht über den Rofenhof ins Rofental hinein, dann hinter und hinauf zum Hochjochhospiz. Die erste Stunde führt durch Alpenwiesen, dann wird der Weg schmaler und folgt etwa eine Stunde der Ache am Fels entlang, vorbei an eindrucksvollen Sturzbächen. Die letzte halbe Stunde wird dann ziemlich lang, weil man die Hütte schon sieht und es der finale Anstieg in sich hat. Klassische Stelle, um zu verzweifeln, nicht nur als Kind kann man hier trotzig werden – Elle hat jedenfalls eine gewisse Motivationsschwäche in Zielnähe. Hätte sie gewusst, was sie erwartet, hätte das Vorschussenergie gespendet, denn die Begeisterung, die sie kurz drauf für den Kaiserschmarrn hat, war kurz vorm Jodeln und hätte als Zuckervorschub easy nach unten gereicht.
Das Hochjochhospiz ist – wie die Martin-Busch-Hütte – der Ausgangspunkt für weitere langatmige über-2000-Meter-Gipfeltouren und wird seit 2019 von einer Venterin und ihrem Team aus Frauen geführt. Sollte es noch Zweifel geben, dass Frauen es in jeder Hinsicht besser drauf haben, Dinge zum Laufen zu bringen, werden sie hier krachend aus dem Weg geräumt. Eine heitere Stimmung herrscht, alles läuft wie am Schnürchen und der Kaiserschmarrn ist in jeder Hinsicht so perfekt (wir planen, beim nächsten Ventbesuch alle Mahlzeiten trotz Aufstiegsstrapazen hierher zu verlegen), dass uns selbst die schwarzen Wolken, die sich heimlich anschleichen, schnuppe sind. Da sie vorerst auch nur laue Sommertröpfchen und ein bisschen Donner zustande bringen, sind wir längst zu Hause, als der richtige Regen beginnt. Dem können wir dann frisch geduscht im Bett liegend durchs Panoramafenster zusehen, bis es dunkel wird.
Morgen wollen wir weiter, über die nächste Grenze, nach Italien, in die Cinque Terre um genau zu sein. Man sagt, es könnte eventuell dieses Jahr nicht so voll sein ...
Pfiat di Vent, du warst schon wieder so gut zu uns. Tu Felix Austria, tu.