Tschüss Deutschland – hej Sverige

Einigermaßen spontan entscheiden wir uns, doch nach Schweden zu fahren. Geplant – also Anfang des Jahres – waren ja mindestens 3 Monate Skandinavien, jetzt sind es immerhin 10 Tage. Die Fähre von Sassnitz nach Trelleborg ist verlockend günstig, die Wettervorhersage ebenso und Henryk – unser Mann in Schweden, den Dirk von den 17 Hippies her kennt – hat Geburtstag. Also nichts wie hin.
Von Berlin nach Sassnitz sind's gute 3 Stunden, die Fähre braucht gute 4 und dann sinds noch mal knappe 4 bis zur Kleva Gruva bei Vetlanda in Småland. Henryk ist seit 16 Jahren in Schweden und hat seine Lehrertätigkeit in Berlin vor 7 Jahren aufgegeben und die Grube, eine alte Erzmine, die vor 25 Jahren zum Schaubergwerk umgemodelt wurde, 2009 übernommen und verbringt dort die Saison als Gruben-Führer, Chef und Mädchen für alles. 

Um meine Paranoia „zu spät zu kommen“ zu therapieren, fahren wir jetzt mit etwas knapperem Zeitpuffer und ich versuche trotzdem, heiter und gelassen zu bleiben. (Bei Elle ist das anders, sie fährt immer sauknapp.) Dies gelingt mir auch bestens bis – zum ersten – ein Kieselstein auf der Autobahn eine Macke in die Frontscheibe haut (da krieg ich gleich so richtig schlechte Laune) und wir kurz drauf – zum zweiten – feststellen, dass es auf der A 20 Richtung Rügen keine Tankstelle gibt. Unnötig zu erwähnen, dass wir aber eigentlich eine bräuchten.
Kurz vor Neubrandenburg versagen die Nerven, also runter von der Autobahn und eine Tanke suchen. Das kostet den gesamten Zeitpuffer und bei der Gelegenheit lese ich auch im Kleingedruckten des Fährtickets, dass man eine halbe Stunde vor Abfahrt da sein muss. Jetzt kann die heitere Gelassenheit mal zeigen, was sie kann. (Elle meint, es sei schließlich kein Flughafen und man nähme das nicht so genau.)
Wenn man Ampeln, Überholverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen ignoriert und etwas sportlich überholt, geht es ganz zügig voran (Elle findet's immer noch nicht brisant) und bei der letzten Ampel, die wir mitten im Rotintervall mit quietschenden Reifen passieren, schaut der Beamte im Polizeiwagen auf der anderen Seite gerade nicht in unsere Richtung. Geht doch, exakt um 11:00 Uhr, eine halbe Stunde vor Abfahrt, halte ich den Boardingpass in meinen schweißnassen Händen. Wir sind die drittletzten, es gibt als noch entspanntere Fahrer. (Im Nachhinein erfahren wir, dass die Reedereien das sehr wohl sehr genau nehmen, Henryk ist schon mal nicht mitgekommen, weil er den Check-in verpasst hatte – nun ist auch Elle etwas kleinlauter.)

(Weitere Fußnote: auf der A 20 kommt 34 km nach Neubrandenburg eine Raste mit Tankstelle.)

Wie auch immer … wir sind an Bord, verabschieden uns mit Blick auf die Kreidefelsen bei herrlichstem Wetter von Rügen und widmen uns schon mal den Vorboten der schwedischen Küche. (Sah übrigens irritierender aus als es schmeckte.) Und: Es fällt bereits hier auf, wie gut das Layout schwedischer Produktverpackungen ist!

Die Fähre versprüht spätsozialistischen Charme und man kann an Deck pappsüßen Birnencidre trinken und in die Sonne blinzeln. Gerade als es langweilig wird, legen wir in Trelleborg an.

Hej Trelleborg! Die Scheibe ist immer noch dreckig, aber bei gleichbleibend herrlichem Sonnenschein reiten wir neugierig ein in ein Land, das wir beide bisher nur minimal besucht haben. Dirk ist einmal auf einer Tour nach Finnland durchgefahren, ich hab vor Jahren mal Stockholm besucht.

Jetzt noch hoch ins Pippi Langstrumpf–Michel aus Lönneberga–Astrid Lindgren–Land, die ist nämlich in Vimmerby in Småland geboren und dürfte unser Schwedenbild maßgeblich geprägt haben. Und wirklich, nach etwa 100 km Richtung Norden fangen endlose Wälder an, unterbrochen von Seen und rot-weißen Holzhäusern. Fast alle wunderbar erhalten, harmonisch in die Landschaft integriert und in der untergehenden Sonne in ein friedlich mildes Spätsommerlicht getaucht. Wer jetzt nicht romantisch wird, ist ein grober Klotz und hat hier nichts zu suchen.

Die Fahrt ist entspannt, man darf nicht sehr schnell (meist um die 90), was dazu dient, die Landschaft zu genießen. Es gibt gut ausgebaute Landstraßen, die nicht nur regelmäßige Überholspurbereiche, um die vielen (allerdings recht zügig fahrenden) Trucks zu überholen, sondern auch Rast- und Tankgelegenheiten bieten. Wir halten bei einer amerikanisierten Variante und trauen uns an ein schwedisches Sandwich. Auch hier: sieht irritierend aus, schmeckt super.

... aber was heißt eigentlich PSLÄP? Henryk fragen, wenn wir gleich bei ihm sind.

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