Back to the 90ies

(Es bahnte sich an, irgendwie bahnte es sich an ... Oder warum sonst parken wir 20 m vom Eingang, mache ich nachmittags Fotos von dem Gebäude, schlendern wir kurz vor 8 auf dieser Straßenseite zum Auto zurück und nicht auf der anderen ...)

Heute ist also der 21. November und wir seit ein paar Stündchen im quirligen Porto. In einem Café haben wir Tipps für's Abendessen bekommen und da wir Hunger kriegen und das Restaurant weiter entfernt unten am Fluss liegt, machen wir uns auf den Weg zum Bus. Wieder geht's am Colosseum vorbei, welches Elle wegen des hübschen Schriftzugs schon mehrfach fotografiert hat. Es ist nach sieben und am Eingang einiges los. Dort stehen Menschen, die etwas in ihrer DNA haben, was mir bekannt vorkommt, gar nicht bewusst wirkt es irgendwie vertraut. Da wir aber Hunger haben, ist da nicht viel mit subtilen-Gefühlen-hinterherspüren. Höchstens mal kurz einen Blick auf's Programmplakat werfen. Kann es sein? Ist es denn die Möglichkeit? JesusMariaundJosefundüberhaupt, HEUTE SPIELEN DIE PIXIES!! Was heißt heute, gleich, in etwa 20 Minuten.

Wir haben die Geschichte jetzt schon ein paar mal erzählt (hier zeigt sich ein Vorteil des Tagebuch-"Nach"-Schreibens), die Reaktion ist im Normalfall, ach schön, naja, die Pixies, was ist so besonders? Die Pixies, liebe Freunde, sind für die Musik so was wie die Entdeckung des Feuers für die Menschheit – um es mal zurückhaltend zu formulieren. Schöne Analogie, fällt mir gerade auf, denn genau wie Feuer heute allgegenwärtig ist, hallen die Pixies in praktisch jedem Indierocksong der letzten 30 Jahre wieder, ohne Pixies keine Nirvana, kein Grunge und alles was danach kam. Obwohl ich kein Fan war (Fan bin ich – warum auch immer – von Kiss und Thin Lizzy), kann ich mich noch, gerade in Berlin angekommen, lebhaft an das Konzert im ehemaligen Metropol am Nollendorfplatz erinnern, immerhin auch schon 27 Jahre her, seufz.

Elle kennt die Pixies zwar, hat auch zwei Platten von ihnen, wie sie stolz erwähnt, ist aber eher aufgeregt wegen dieser fantastischen Fügung, da wir vor 4 Wochen in einer Ankündigung lasen, dass die Pixies heute in Porto spielen, es aber gleich wieder vergessen hatten, weil wir eh nicht in Porto sein würden. Und jetzt haben wir einen Parkplatz gegenüber, das Konzert fängt gleich an und, – gibt's noch Karten? Elle fragt, klar gibt's noch welche. Wenn nur der verdammte Hunger nicht wäre und Elle tut das Kreuz weh. Es gibt auch Sitzplätze, sind sogar billiger, aber was, wenn es gut ist, nee Innenraum vor der Bühne, wie früher. In nullkommanix haben wir uns hochgeschaukelt und – Karten für die Arena gekauft. Noch schnell in den Supermarkt (praktischerweise gegenüber), Brot kaufen, dann rein in den Bus, Stullen schmieren, umziehen (superpraktisch) und 18 Minuten später stehen wir gesättigt und mit einem Bier in der Hand an der Bühne in einem Saal mit Charakter, wie ich es liebe, im 60er Jahre Look mit mehreren Rängen.

Das Publikum erschien mir deshalb so vertraut, weil man spüren kann, dass wir am gleichen Strauch gewachsen sind. Gut Gealterte mischen sich mit erstaunlich vielen Jüngeren, alle in bester Stimmung und heiterer Vorfreude.

Das Konzert ist wie es sein soll, laut, roh, mitreißend, die Stücke frisch und zeitlos und die Band auch nach über 30 Jahren ohne Druckverlust. (Wobei sie sich natürlich wie es sich gehört in den 90ern getrennt hatten und der Schlagzeuger unter dem Namen "The Scientific Phenomenalist" zwischenzeitlich als Zauberkünstler firmierte, der Sänger und Kopf Black Francis zahllose weitere Bands gründete, quasi im Wochenrhythmus Alben produzierte, die Bassistin ausstieg, eine neue einstieg, die genauso gut singt und spielt wie die alte, nur der Gitarrist blieb einfach der Gitarrist). Ich kann nur jedem empfehlen, mal wieder das Album Doolittle anzuhören, zum Entdecken oder Wiederentdecken.

Es wird getanzt, gesprungen, gepoged und textsicher mitgesungen, die bunt gemischte Menge wabert im huchgeputschten Einklang durch das perfekt mit alten und neuen Songs zusammengestellte Programm. Elle verschwindet irgendwann weiter Richtung Bühnenrand, ab und zu sehe ich sie Schlagzeugwirbel mitspielen, wir trällern die Hits und auch die weniger bekannten Stücke, Ehrensache.

Zwei Stunden später machen wir uns halb taub und beschwingt auf zum neuen Stellplatz am gegenüberliegenden Flussufer.

P.S. Das empfohlene Restaurant hatte übrigens Ruhetag, da hätten wir uns ganz schön in den Hintern gebissen.

P.P.S. Die nächsten Wochen werden wir öfter ein lustiges Liedlein auf den Lippen haben "... wir haben die Haare schön und haben die Pixies gesehen ..."

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