Ab geht's nach Süden, seit Tagen begleitet von wunderbar blühenden Wiesen vor der ersten Mahd. Das wäre ungefähr unsere Route für heute:
Natürlich kam es etwas anders, aber das gehört ja dazu. Was allerdings länderübergreifend stabil bleibt, sind grauenerregende Kreisverkehrsskulpturen.
Wir tingeln über die Dörfer, erledigen in Passau im Naturkostladen unseren Einkauf und halten nach Ried im Innkreis, kurz vor Ungenach (nach rückwärts geschicktes Omen), Ausschau nach einem Platz mit Bank und Aussicht für eine kurze Pause mit Jause. Ach, da ist er ja.
Nur hatten wir die Rechnung ohne den Bauern gemacht. Er wollte uns wohl Glück für die Reise wünschen ... Egal, nächste Mission: Waschanlage. Bevor der Odel durch's ganze Auto wächst. Achja, dazu wollte Dirk noch was sagen:
Wie kann man den Kreislauf des Lebens besser illustrieren als durch das im süddeutschen Raum unter "Odeln" bekannte Aufbringen von Kuhkacke auf die Wiesen und Felder, auf dass das Gras gut gedüngt um so fetter wachse, damit die Kuh sich's wieder einverleibt. Jetzt, Mitte Mai, ist augenscheinlich Odelzeit, wobei man es natürlich riecht, bevor man's sieht. Der Geruch ist zwar intensiv, aber nicht unbedingt unangenehm (Pflanzenfresser) und weit entfernt vom Geruch der städtischen Hundehaufen. Außerdem ist es angenehm archaisch, ein Echo vergangener Zeit und analoges Aufbäumen gegen die digitale Welt.
Hier in der Steiermark also ist die Welt noch in Odel-Ordnung, wie die vielen Traktoren auf sprenkelbraunen Wiesen zeigen. Da kommt die Bretteljause beim Herrgottsmarterl am Rande einer sanft geschwungenen Wiese mit Hochgebirgspanorama genau richtig. Mit einem knackigen Landjäger in der Hand winke ich dem Landwirt auf dem anrauschenden Traktor zu, der zur Begrüßung exakt auf Bushöhe ganz kurz wie aus Versehen die Odeltaste drückt. Schon sind Bus und Mann auf's Schönste eingeodelt (literarische Verdichtung, weil der Mann im letzten Moment – ahnend, was kommt – mit einem Hechtsprung zur Seite einer Komplett-Odelung entgeht und nur eine Hosen-Schuh-Kombination-Odelung abbekommt). Weil ich Pazifist (und vor Verblüffung wie versteinert) bin, versuche ich nicht, den Fahrer aus dem Führerhaus des Traktors zu zerren, um zusätzlich ein paar auf's Maul zu kriegen. Als Optimist verbuche ich die Sache als gutes Omen für die Reise, semimilitant und wütend hoffe ich aber, dass der Drecksack von Bauer dafür in der Hölle schmoren wird. Müffelnd und gekränkt geht's weiter zur nächsten Waschanlage, die – das Glück fängt schon an zu wirken – gar nicht weit weg ist.
Nachtrag: Die Hose konnte ich gleich heute waschen, leider hat beim Trocknen ein Vogel draufgekackt.
Frisch gekärchert (merke: nie die Glanzdusche am Schluss weglassen) rauschen wir am Attersee ein und versöhnen uns mit fettem Kuchen. Der flächige Kalküberzug auf Lack und Fenstern wird sich schon wieder abregnen lassen (überflüssig zu erwähnen, dass seitdem die Wetterlage niederschlagsfrei ist).
Bei Torte und Wlan erkunden wir mögliche Schlafplätze und steuern den zwischen Hallstätter- und Grundlsee gelegenen Ödensee an. Und begegnen dem nächsten Auswuchs unternehmerischer Überambitioniertheit. Die Kohlröserlhütte mutierte zum Genuss-Gasthaus, was vor allem heißt, dass sehr groß gebaut wurde für sehr viele Gäste mit sehr viel Mühe fürs Detail. Es ist ja nicht unschön und wird in ein paar Jahren auch eingewachsen sein, aber für den Ödensee war die vormalige Röserlhütte (nicht von ungefähr die kleine Rose im Namen) sicher die passendere.
Aber der Parkplatz daneben wie beschrieben ländlich idyllisch, mit zahlreichen Wandermöglichkeiten und so richten wir uns für die Nacht ein. Gemütlich und beschaulich mit liegendem Vorabendprogramm "Blick auf die Wiesen".
Und ich weiß auch nicht, wie es kam, – waren es die an- und abfahrenden Autos von Karls 60. Geburtstagsfeier im Genuss-Gasthaus oder weil ich beim Durchsehen der weiteren Übernachtungsplätze über den "Prebersee" gestolpert bin? (Zum Hintergrund mehr im Platzbeitrag.) Wie auch immer, um halb 8 frage ich Dirk, ob wir nicht doch weiterfahren wollen und hab schon den Zündschlüssel im Schloss.
Wir müssen uns sputen, wenn wir die nächste Station noch im Hellen begutachten wollen, laut Navi brauchen wir für die schlappen 60 km knapp 2 Stunden, da wir um die Berge herum müssen. Aber hurra, der Sölkpass ist offen, dann können wir queren.
Nicht dass es schneller ging, aber spektakulärer allemal. Es liegt noch richtig viel Schnee, es windet orkanartig und hat 6 Grad. Aber hie und da lockt sogar ein einladendes Gasthaus, erstaunlich.
Der anvisierte Übernachtungsplatz in Krakauhintermühlen entpuppt sich als kleine Straßenbucht mitten im Ort, also dann doch schlussendlich zum Prebersee, immerhin hatte er mich ja auch auf die Straße gelockt. Natürlich ist es stockdunkel inzwischen, aber so viel können wir noch mühelos erkennen: tadaa, das dritte Bauwunder in Serie!