Das Cilento zeigt sich im besten Licht. Wolken, die sich vor die tiefstehende Sonne schieben, verleihen den bewaldeten Hügeln und schroffen Felskanten unwirkliche Plastizität. Das Wetter kann sich nicht recht entscheiden, ob es sich zuzieht oder doch der Sonne Vortritt lässt und entscheidet sich erst mal für einen kurzer Schauer mit Regenbogenromantik. Dass der Stellplatz am Strand von Marina di Camerota seit heute geschlossen hat, geschenkt. Bei der Durchfahrt durch den Ort haben wir in der Nähe des Hafens schon einige Wohnmobile durch die Büsche blitzen sehen, schön, dass alle weiß und weithin sichtbar sind, wenn man sie mal als Wegweiser braucht. Um die fünf haben es sich am Ende der Strandpromenade bequem gemacht, als wir uns dazu gesellen. In der nahen Marina 'Turistico' gibt es neben Notarzt, Ausflugsbüro und Gendarmerie auch einen (warmen) Sanitärbereich mit Dusche, Waschmaschine und sauberen Toiletten, ein kleiner Zirkus hat sich an den Anfang der Promenade gebastelt, dahinter schließt sich ein halbfertiges Fussballfeld an.
Alles in allem zwar anders, als wir erwartet haben, aber trotzdem charmant und wir fühlen uns gleich als Teil der Gemeinde. Am Strand werden die Buden abgebaut, hinter uns trainiert die Fußballmannschaft, Einsame und Gassigänger, Verliebte und nicht mehr so Verliebte gehen das kurze Promenadenstück hinauf und hinunter, bis alles gesagt ist. Unsere Nachbarn sind alles Italiener, die das Campingverbot mit großer Selbstverständlichkeit ignorieren und als abends die Lichter angehen, fühlt es sich schon sehr nach Bella Italia an.
Pünktlich um 18:00 beginnt im Zirkus die erste Show und wir überlegen die nächsten zwei Tage, welche Darbietungen jeweils zu den (durchweg schlimmen) Europopsongs dargeboten werden (ist das jetzt die Pudelnummer oder der Messerwerfer?) und was genau an alldem so irripetibile/unwiederholbar ist, was sich da täglich mehrmals abspielt und wie sich das alles rechnet, aber das fragt man sich bei einem kleinen Zirkus ja immer. Eine Vorstellung zu besuchen, trauen wir uns nicht (aber als Fotomotiv ist er fantastisch), außerdem müssen wir zwei Restaurantempfehlungen nachgehen.
Das erste ist für seine Pizza bekannt und von Gästen bevölkert, die bei Fellini-Filmen mitspielen könnten. Da ich mit dem Rücken zum Publikum sitze, hat Elle klar die besseren Karten und versucht, während des Essens alle Gäste aufs Beste zu beschreiben (oder heimlich zu knipsen, daher das etwas steife Foto). Zudem ist der Frutti-di-mare-Antipasti-Teller top und sieht aus wie von Gaudi entworfen.
In der zweiten Trattoria am nächsten Tag geht es rustikaler zu, hier sitzen wir zwischen Geräten, die zum Destillieren von Feigenschnaps gebraucht werden, das Licht fällt für 20 Minuten aus und man hat es fertig gebracht, das Kabel für den Wlanrouter in Kniehöhe quer mitten in den Durchgang zu hängen, aus dem die Speisen aus der Küche getragen werden, so dass die Kellner jedesmal (mehr oder weniger artistisch) darüber steigen müssen. Das hebt unsere Laune zusätzlich – auch regt es die Fantasie an, warum eigentlich das Kabel nicht mit zwei Handgriffen umpositioniert wird – und der zum Vergleich bestellte Vorspeisenteller toppt den ersten noch an Formwillen und Geschmack.
Beschwingt drehen wir noch eine Runde durch den Ort, bevor wir heimkehren in unsere Circus-Backstage-Lounge. (Wir sind mal wieder die, die man zwischen den weißen Womos auf den Nachtfotos nicht sieht.)
Der nächste Tag verwöhnt weiterhin mit tollem Licht (Fischer mit Sonnenaufgang um 7:08) und Badetemperaturen und eigentlich würde unsere Batterie locker noch für 24 Stunden reichen, aber wir haben mal wieder Hummeln im Hintern.
Weiter südlich haben alle Campingplätze bereits geschlossen, die Wetterprognose ist solala, auf der Adria-(Apulien-)Seite scheint es freundlicher zu sein und es würde den Rückweg nicht verlängern, außerdem führt der Weg durch den Cilento und man könnte womöglich noch mal zum Wandern halten. Und, unglaublich aber wahr, es gibt an der Ostküste noch offene Plätze. Und den Gargano Nationalpark, von dem wir zwar noch nie etwas gehört haben, der aber mit seinen uralten Pinienwäldern (nach Kiefern meine zweitliebste Baumart) lockt. Tja dann, ciao ciao, Marina di Camerota, schön war's gewesen, andiamo, next stop Gargano, hö hö.