Unsere Begeisterung für dieses Sackgassendorf im Ötztal hatten wir ja schon anlässlich unseres Winterbesuchs vor 2 Jahren geteilt, dennoch waren wir nicht sicher, ob uns das im Sommer genauso gefallen würde – Bergwanderorte und ihr Publikum neigen ja mitunter zu spezieller (uns tendenziell zu stark aktivierender) Atmosphäre.
Nicht so hier. Wieder überzeugt der in den 1980ern steckengebliebene Tourismus, gänzlich ohne Lifestyle-Marketing. Auch wenn mancher Urlauber durchaus Fashionambitionen hat, was Kleidung und Ausrüstung angeht, bleibt Vent in angenehmem Dämmerzustand, mit wenig Anreiz zu Konsum oder angliziertem Aktivurlaub – die meisten Schilder handeln von Knödeln.
Was eigentlich erstaunlich ist, wurde der Tiroler Tourismus doch in Vent quasi erfunden. Na, zumindest hat Franz Senn, Priester und Alpinist, den Alpenverein miterfunden und schon 1860 dafür gesorgt, dass es ordentliche Wege und Fremdenzimmer gibt, er hatte nämlich damals schon erkannt, dass man als Bergbauer schwer überleben wird, also den Tourismus als Einnahmequelle braucht.
Andererseits, vielleicht ist es gerade Franz Senn, der noch immer stilistisch durchdringt, zumal sich der Ort auch seit 2008 "Bergsteigerdorf" nennt, auch so eine altmodische Sache. Wie auch immer, da Camper in Tirol nicht wildparken dürfen – ist das jetzt spießig oder vorausschauend? – und Vent seit ein paar Jahren leider keinen Stellplatz mehr unterhält – was hätte Franz Senn geraten? –, lassen wir uns in der Touri-Info freie Zimmer nennen – auch so eine schöne Oldschool-Einrichtung, wer will da schon selbst ecosianen, noch dazu bekommt man hier Insider-Tipps dazu. Die decken sich glücklicherweise mit unserer Erinnerung an das bestgelegene Haus im Ort und damit im Grunde bereits gefällter Vorauswahl.
Das Gästehaus Soldanella ist von außen nicht so der romantische Hingucker, da keine üppigen Geranien die Geländer zieren, aber von innen nach außen blickt man umso fantastischer – da hängen einem die Blümchen auch nicht in der Aussicht. Der Panoramablick von der Terrasse geht gleich in zwei Täler, daher treffen sich auch zwei Arme der Ache unterhalb des Hauses. Was eine stete und tatsächlich ziemlich laute Geräuschkulisse mit sich bringt – und den nächsten Vorteil, dass man weder Mopeds, noch Freischneider, noch bellende Hunde oder quatschende Nachbarn hört und entsprechend abgeschirmt ist von allem Irdischem. Unser Zimmer duftet nach Zirben, der Kühlschrank ist gefüllt, eigentlich gibt's keinen Grund, rauszugehen.
Aber da das Wetter derart perfekt ist, machen wir natürlich jeden Tag eine Tour, die nicht nur (aus Versehen) eine geradezu kuratierte stete Steigerung in Aussicht, Lieblichkeit, Naturspektakel und Gastro bietet, sondern auch jeweils die exakt richtige Wahl passend zu Muskelaufbau bzw. -kater ist. Sicherheitshalber hatten wir eine klebrige regional produzierte Arnikasalbe gekauft (übrigens das einzige halbwegs beworbene Marketingprodukt des Dorfes), was sicher auch geholfen hat. Wir sind stolz und glücklich und könnten jetzt noch mindestens eine Woche nur auf der Terrasse hocken und allen anderen beim Rauf- und Runtergehen zuschaun. Machen wir aber nicht, zumindest jetzt (noch) nicht.
Die schönste Anfahrt hierher geht übrigens übers Allgäu, Grenzübergang Füssen/Reutte und das Hahntennjoch – uns vorher auch nicht bekannt. Zufällig gondelt hier eine Oldtimerrallye entlang.
Und das noch zum Infoblock: Fast wären wir in der Geierwalli gelandet, direkt neben dem Rofenhof, der früher mal einen eigenen Stellplatz betrieben hat. Liegt toll, ist aber außerhalb des Dorfes und mit Halbpension, man sagt, die Küche sei topp – kann also ein echter Vorteil sein bei der nicht ganz überzeugenden Dorfgastronomie.