Wer geht?
In der ganzen Zeit haben wir nur einen Wanderer ohne Funktionskleidung gesehen, also außer uns. Ich trage meine Blümchenhose aus Schweden, mein neues Shirt mit Tucanmuster und habe erst gar keine Wanderschuhe. Elles Kleidung ist auch nicht funktionaler und unser (lächerlich kleiner) Rucksack kommt aus der Grabbelkiste in Schweden.
Wir fallen trotzdem nicht auf, denn am nächsten Morgen gegen 6.00 Uhr, als ich zum ersten Mal aus dem Fenster schaue, herrscht schon reger Verkehr Richtung Martin-Busch-Hütte. Der Weg ist gut erschlossen und startet gegenüber unserer Terrasse. Da ich mir am Ammersee den Fuß geprellt habe und nicht sicher bin, ob ich ihn schon wieder richtig belasten kann und eine vage Erinnerung daran habe, diese Tour als Kind gemacht zu haben, schlage ich vor, mit dieser Strecke zu beginnen.
Ich wusste bis dato nicht, dass es elektrifizierte Mountainbikes gibt, die flott den steilen Anstieg nehmen, nur die ganz Zähen strampeln noch mit reiner Muskelkraft hoch. Auch die Wanderer scheinen wild entschlossen, unter der angegebenen Zeit von 3 Stunden zu bleiben, alles marschiert und flitzt, schaut nicht links, nicht rechts. Auffallen tun wir auch deswegen nicht, weil alle sehr darauf fokussiert sind, den Berg und auch gleich den inneren Schweinehund zu bezwingen und wenig Interesse für das Drumrum zeigen.
Die Hütte liegt auf 2501 m, unterhalb der Kreuzspitze gegenüber des Similaungletschers, der seit meiner Kindheit erschreckend viel an Volumen eingebüßt hat. Von hier kann man weiter hinauf zur Similaunhütte oder auch die Fundstelle von Ötzi besuchen.
Gleich geblieben ist die sich unangenehm in die Länge ziehende letzte Etappe vor der Hütte – inklusive Kindheitserinnerungen. Da klingen sie wieder im Ohr, die unermüdlichen Versprechungen der Eltern mit "nach der nächsten Kehre aber ..." und so. Von wegen. Daher streben wir nach nichts weiter und Höherem, sondern halten uns lieber an Kaspress- und Speckknödel. Lieber noch mit den Schafen ums Haus trödeln.
Zugegeben, diese Strecke über der Baumgrenze ist nicht monsterpittoresk, aber hat doch genug Sehenswertes – für mich jedenfalls. Elle ist noch nicht richtig zufrieden, zu autobahnig das Ganze, meint sie. Wird sich aber noch ändern (Minispoiler).
Als wir am frühen Abend nach 16 km und 1000 Höhenmetern wieder in Vent ankommen, haben wir dieses angenehme Gefühl, total erledigt zu sein, zögern aber das ins-Bett-fallen – da wir ja könnten – noch etwas hinaus. Deswegen drehen wir noch ne Runde und bestellen im Gasthof Obervent eine Portion Kasnockerln, die so herrlich nichts mit leichter City-Gastro zu tun haben, sondern fettig und schmuddelig in der Abendsonne glänzen. Tu Felix Austria. Geht ja schon mal gut weiter.