Ausgerechnet in Gerswalde werden wir übernachten, im Prenzlauer-Berg-Klon und gentrifizierten nördlichsten Berliner Außenbezirk. Hätte ich vor 4 Jahren nicht gedacht, als ich das letzte Mal mit Rupi und Nicklas beim Uckermark Festival war, das alle 2 Jahre als Inhouse- und Open-Air-Kultur-Wochenend-Event der Region stattfindet.
Damals kam es mir vor, wie wenn ich einer Vernissage im Allgäu oder am Ammersee beiwohne, bevölkert von MünchnerInnen auf Landpartie, die einfach so zur Zerstreuung das 'Künstler'-Ufer – die Westseite des Ammersees – besuchen oder einen Abstecher ins Ostallgäu machen, gesättigtes Bildungsbürgertum verschafft sich Abwechslung.
17268 Gerswalde
So ein Setting hatte ich im Berliner Umland nicht erwartet. Aber klar, gibt's auch hier: ein Publikum, das sich für besonders offen und experimentell hält, schwelgt in dem Part des 'Landlebens', der mühelos konsumierbar, ein wenig inspirierend, ganz toll verrückt künstlerisch, aber auf keinen Fall verstörend für's Gemüt ist. Und wenn man mag, kauft man auch ein wenig ein. Ein Bild oder ein Gestüt.
Naja, das wäre auch vor 4 Jahren nicht mehr so easy gewesen mit dem Gestüt. In Gerswalde jedenfalls sind die Preise ordentlich gestiegen, seit Filmemacherin und Autorin Lola Randl im Ort lebt und ihn aufmischt mit ihren Filmen und Büchern. Die gute Presse über ihre Werke, der nachziehende Freundeskreis und der Große Garten, ein riesiges Grundstück mit Gemüsebeeten, auf dem unter anderem 2 Japanerinnen im Gewächshaus ein Café betreiben, sorgen für weiteren Zuzug und eine hohe sonntägliche Besuchsrate von BerlinerInnen.
Aber jetzt ist UM angesagt, ein Festival, das es schließlich schon vor Lolas Herzug gab. Zum Auftakt treffen wir am Wasserschloss erstmal Bekannte aus Kreuzberg, klar. Dann (Kleva-Gruva-)Henryks Lehrerkollegin aus früheren Zeiten, die wir im Juni in Schweden kennengelernt hatten, die Gerswalderin ist, Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung der Gerswalder Wasserburg mit Mittelalteraffinität und natürlich topp Auskunftgeberin zu den hiesigen Um- und Zuständen. Denn da hätte ich ein paar Fragen ... Erstaunlicherweise schildert sie die Verhipsterung des Ortes nicht als so furchtbar, wie ich erwartet hatte.
Irgendwie scheint die Uckermark Neuzugänge gut integrieren zu können, denn Gudrun Gut und ihr Mann Thomas Fehlmann – Mitinitiatoren des Festivals – agieren geradezu als Eingeborene, mit ihren 20 Jahren im Gut Sternhagen. Sie spielen beim Festival immer eine Rolle und ein Set und bringen immer ihre Peergroup mit: Daniel Meteo, MimiCof, Sonae, und natürlich die großartige Pilocka Krach.
Am nächsten Morgen sollte es Frühstück geben im Herrenhaus, aber leider wussten das die Betreiber gar nicht, so streunen wir mit allen weiteren Nahrungssuchenden durch den Ort, versorgen uns schließlich selbst.
Wir geben uns die Kunst, die über die angrenzenden Orte verteilt drinnen und draußen stattfindet, machen Sightseeing und gehen spazieren. Einiges erkennt man wieder, vieles ist neu, das meiste ist sehr unspektakulär, aber egal, irgendwie macht es Spaß und man ist im Freien.
Finale ist im großen Garten, neben dem Café zum Löwen der lustigen Japanerinnen, die völlig überrannt werden. Die Damenrunde rund um Gudrun gibt ein DJ-Set, musikalisch eher sperrig, aber unterhaltsam in Summe und die Kulisse macht es ohnehin wett, diese Garten-Oase, das grüne Herzstück Gerswaldes.