Wir verlassen Jan Mar mit dem Ziel, tiefer hinein in die Masuren zu fahren, denn „Gott schläft in Masuren“. Er schläft dort, weil das Land gesegnet ist mit der unvergleichlichen Schönheit der Natur, findet einer der Protagonisten des gleichnamigen Buchs von Hans Hellmut Kirst, welches ich zwar dabei, aber noch nicht gelesen habe. Bevor wir dem nachgehen, braucht’s schon wieder Proviant, nicht zu fassen, wie schnell der schwindet.
Es ist Sonntag, auf den Straßen wird im Gänsemarsch zum nächsten See gepilgert, Kirchgängerinnen sind herausgeputzt und die Supermärkte sind (ob gegenteiliger Behauptungen im Internet) zu, es gibt allerdings offene kleine Tante Emma Läden. Der, den wir finden, ist wie für mich gemacht. Gott schläft nicht nur hier, er hat auch einen Laden. Es gibt neben einer prächtigen Kuchentheke vor allem viele Sorten alkoholfreies Bier, eins sogar gemixt mit Kaffee (ich habe mich aber noch nicht getraut, es zu öffnen). Und weil wir schon mal in Olsztyn (früher Allenstein) sind und ein Piroggenladen um die Ecke gleich öffnet, beschließen wir, das als Zeichen für einen Abstecher in die Altstadt zu nehmen.
Obwohl überschaubar, hat es hier ungefähr 8 Eisdielen und dreimal so viele Restaurants. Gott scheint seine Finger auch in der Gastronomie zu haben. Die kleinen gefüllten Maultaschen sind köstlich, die großen aus dem Ofen fest und saftig, der Kohlsalat gigantisch.
Olsztyn wurde im Krieg ziemlich zerstört, deswegen ist die Altstadt auch nicht wirklich alt, aber es wirkt trotzdem sehr einladend und am heutigen Sonntag flaniergemütlich. Keine zwei Minuten entfernt steht die Allensteiner Burg, für eine Burg ziemlich mickrig, aber hier hat Nikolaus Kopernikus gewirkt. Der folgende Abschnitt stammt von der https://visit.olsztyn.eu Seite. Weißte Bescheid.
Manchmal lohnt es sich, die Frage zu stellen, ob die wichtigsten Errungenschaften eines Menschen etwas damit zu tun haben, wo er sich tagtäglich aufhält. Wir in Allenstein glauben, dass dies so ist. Die Atmosphäre des Ortes ist Inspirationsquelle, sie bewegt den Geist, große Herausforderungen anzunehmen und gibt die Kraft, neue Richtungen zu bestimmen. Vor fünf Jahrhunderten ist Nikolaus Kopernikus in unserer Stadt angekommen. Kurz danach hat er in einem der Gemächer in der Allensteiner Burg begonnen, Schlüsse niederzuschreiben, zu denen er bei seinen Himmelsbeobachtungen gekommen war. Der Rest ist uns schon bekannt: "Er hat die Sonne angehalten, die Erde in Bewegung gesetzt, der polnische Stamm hat ihn hervorgebracht". Lassen auch Sie sich von der Allensteiner Atmosphäre mitreißen!
Und hier noch ein paar Fakten:
1516 kam Nikolaus Kopernikus in der Allensteiner Burg an und übernahm das Amt des Domherrn-Verwalters, dessen Amtszeit drei Jahre dauerte (nachher wurde er noch für die Jahre 1520-1521 wiedergewählt).
1517 malte er an der Wand des Burgkreuzgangs seine bekannte astronomische Tafel, die dazu diente, die Frühlings- und Herbst-Tagundnachtgleiche zu bestimmen und beobachtete mit Hilfe von ihr die Sonne. Gegen 1520 fing er an, sein Lebenswerk „Über die Umschwünge der himmlischen Kreise” zu schreiben, das das heliozentrische Weltbild beinhaltet.
1519 schrieb er die zwei Jahre vorher vorbereitete „Münzdenkschrift“ nieder, in der das bekannte Gresham-Kopernikanische Gesetz zu finden ist, laut dem eine unterbewertete Geldsorte die überbewertete aus dem/vom Markt verdrängt.
Nikolaus Kopernikus siedelte Bauern auf verlassenen Bauernhöfen an, in den Jahren 1516-1519 und 1521 unternahm er mehrere Reisen durch das Ermland und ließ über 40 Dörfer besiedeln.
im Januar 1521 wehrte er den Ordensangriff auf die Allensteiner Mauer ab.
Zurück zum Wesentlichen: wo werden wir übernachten?
Naturnahe Campingplätze gibt es in Masuren viele, das macht die Auswahl schwierig. Der, den wir jetzt ansteuern (Zum Teich), wirkt in der Beschreibung ein wenig wie die Kleva Gruva in Schweden, schön rustikal, viel Selbstgezimmertes, zwar ohne direkten Zugang zum See, aber man kann wohl mit dem Boot hinausrudern. Passt dann leider nicht, obwohl wir die Einzigen wären und ich mich über die Ruhe freuen würde.
Der nächstmögliche Stellplatz liegt 20 min entfernt, aber hier ist es zu windig, nur Ausflügler, zu viele Boote und kein Strom. Also doch noch mal eine gute Stunde dranhängen und hoffen, dass es nun was wird.
Die Gegend ist bildschön, leicht hügelig mit Weiden und kleinen Dörfern. Und es wird viel gebaut, ständig kommt man an neuen Einfamilienhaussiedlungen und Neubauten im Nirgendwo vorbei, alles fesch und wie aus dem Katalog. Dass hier die Zeit stehen geblieben ist, kann man wirklich nicht mehr behaupten, gut für die Einheimischen, nicht ganz so gut für Gottes Schlafplatz suchende Touristen.
Dafür läuft es an der nächsten Station geschmeidig, ein Plätzchen direkt am Ufer des Druglin zwischen Orzysz und Elk wird für ein paar Tage unsere neue Heimat.