Presto pronto

Bei Carlo im Agricampeggio hat sich nicht viel verändert, immer noch verwunschen, leicht verwahrlost und Elle putzt erstmal das Klo. Keine Ahnung, warum wir beim letzten Mal nicht vom Fleck gekommen sind, diesmal wandern wir jedenfalls – naja, also eher Beine vertreten, denn der "Rundweg" ist nur knapp 4 km lang und beginnt kurz über La Corsa. Wie so oft landen wir irgendwo im Dickicht. Während wir uns noch die Kletten von den Hosen pulen, durch die wir hüfthoch gerauscht sind, gibt es erstaunliche Dinge zu beobachten. An einer Eiche haben sich purpurrot glänzende, wie Annemonen aussehende Gebilde über einzelne Eicheln gestülpt. So stelle ich mir vor, beginnt die Invasion der Außeridischen. Elle hat eine der klebrigen Kapseln berührt, mit Sicherheit wird sie sich heute Nacht im Bus ebenfalls in ein rotes Unikum verwandeln, rette sich wer kann. Wenn man Eichel, Pilz oder Parasit eingibt, wird das im Internet eher anders interpretiert und es gibt zwar eine Menge Eichenschädlinge, aber nichts, was auch nur annähernd so aussieht. Am Nähesten kommt noch der Befall von Gallwespen (wofür sich Elle entscheidet), ich bleibe bei den Außerirdischen.

Ansonsten bleibt festzuhalten, dass der Bäcker oben im Dorf bestimmt Einiges kann, backen gehört nicht dazu. Da sein Brot aber letztes Jahr die Referenz war, kam das italienische Brot in der generellen Bewertung etwas schlecht weg, dies sei hiermit korrigiert.

Die nächste Station der Reise könnte sein a) ein Bauernhof in der Nähe von Rom, mit nur 29 Minuten Fahrzeit zu den Vatikanischen Museen (+ 3 Stunden Anstehen vermutlich) oder b) ein Weingut bei Neapel. Der Bauernhof wurde in den 70er Jahren mit wehenden (roten) Fahnen und einer Gemeinschaftsutopie im Kopf aufgebaut und wird heute als Kooperative betrieben. Das Weingut wiederum macht morgen eine Führung inklusive Mittagstisch und außerdem verspricht die Seite einen Stellplatz mit Blick auf die Bucht von Neapel. Napoli gewinnt und presto pronto geht's los.

Etwa auf der Höhe Rom verändert sich das Land, verbauter, unaufgeräumter, irgendwie zerzaust. Die Müllbeseitigung soll hier übrigens in der Hand des organisierten Verbrechens liegen, ist aber augenscheinlich nicht besonders organisiert, denn entlang der Straßen wird eine Menge wild entsorgt. Wir rauschen etliche Hundert Kilometer in einem Rutsch durch, machen die erste Rast nachmittags in Terracina, kaufen am Straßenrand eine Busladung Mozzarella und Mortadella, Neapel streifen wir nur am Rande, aber es macht entgegen anderer Berichte einen fröhlichen Eindruck, bei der nächsten Gelegenheit müssen wir das mal verifizieren.

Wieder mal in der Dämmerung nehmen wir die letzte Kurve zur Weingutadresse. Hätte ich mir vorher die Strecke genauer angeschaut, wäre mir womöglich aufgefallen, dass diese mitten in einem Wohngebiet endet. Wir wollen's kaum glauben, aber das Gut ist tatsächlich umrahmt von Häusern. (Da unsere Fattore Amico Gastgeber aber bisher immer für eine Überraschung gut waren, dürfen wir davon ausgehen, dass dies auch hier wieder das gewisse Extra ist.)

Die Betreiber sind irritiert, dass um diese Jahres- und Uhrzeit noch Camper kommen, aber morgen sei doch die Führung mit Mittagessen sage ich, nee morgen ist gar nix, aber auf der Webseite steht doch, ah 2015, verstehe. Hättet ihr mal vorher angerufen. Stimmt, ham wir aber nicht.

Wir können bleiben und obwohl wir alle gerade vom wohlverdienten Feierabend abhalten, gibt es noch eine kleine Führung (von der Mutter angeordnet) vom jüngsten Sohn durch den Betrieb. Im Grund ist alles in 2 Minuten gezeigt, denn der Betrieb ist nicht sehr groß, aber da die Konversation in rudimentärem Englisch abläuft, dauert es doch ein wenig länger. All das macht hungrig und da die Pizza in Neapel erfunden wurde, ist dies ein willkommener Anlass, eine zu essen. Wir bekommen eine Empfehlung samt ausgedruckter Wegbeschreibung und tapern durch dunkles Stadtrandgebiet. Es fühlt sich an wie Sri Lanka und ein Feuerwerk ist auch nicht weit. Wir sind die einzigen Gäste in der Pizzeria und können den Mitarbeitern beim Zeittotschlagen zuschauen, aber die Bedienung kann 1a englisch und der Laden ist so was wie der Gourmettipp des Hafens, die Pizzen mit Zucchini & Zitrone und handfilettierten San Marzano Tomaten sind jedenfalls belissimo.

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