Eins vorweg, ich finde Salamanca mit die schönste Stadt, die ich kenne, und der Plaza Major, der den Bürgern von König Philipp V. für ihre Treue geschenkt wurde, sucht seinesgleichen. Unter den Arkaden rund um den Platz haben sich Tapasbars eingerichtet, die alle "same same but different" das Gleiche anbieten. Das Getränk der Wahl ist Gin Tonic, Kaffee mit Baileys oder in unserem Falle Sangria in großen Gläsern. Hier schon am späten Vormittag zu picheln, hat Tradition – wie schon Harald Juhnke über den perfekten Tag zu sagen pflegte: "Keine Termine und leicht einen sitzen". Gesessen wird in der Tat ausgiebig und gerade die älteren Herrschaften – die Männer lässig, die Frauen mit riesigen Sonnenbrillen und 1000-Euro-Frisur – wirken wie gut gealterte Popstars, wenn sie beim Plausch die Köpfe zusammenstecken.
Mit dem Bus dauert die Fahrt vom Campingplatz ins Zentrum kurze 12 Minuten, wesentlich hübscher zu Fuß dem Fluss folgend etwa zwei Stunden. Eine schöne Strecke – wenn man sich nicht verheddert. Diesmal erwischen wir nur kurz einen falschen Abzweig, der in die morastigen Auen führt. Am Abend zuvor haben wir den Bus nach Hause nicht gefunden, liefen erfolglos x Haltestellen ab und marschierten schlussendlich 5 km auf einer Schnellstraße durch die Dunkelheit zum Platz zurück, was nicht gerade zur Aufhellung der Laune beigetragen hat. Interessant, in welch haarsträubenden Unfug man sich noch so hinein manövrieren kann, wir hätten ja auch ein Taxi nehmen können ... Andererseits finde ich, schweißt so etwas zusammen, wobei Elle diesen Aspekt in dem Fall eher verneint.
Salamancas komplette Innenstadt gehört mit Recht zum Unesco Weltkulturerbe und hat seine wechselvolle Geschichte inklusive maurischer Eroberung, Zerstörung, Rückeroberung, Revolution und Bürgerkrieg erstaunlich gut überstanden, das alles findet man im Netz.
Selbstredend gibt es auch einiges zu kaufen, aber der Jugendstil-Kissenbezug, der kleine Kelim für den Bus, hübsch bemalte Kacheln, handgefertigte Lederschuhe finden keine Gnade unter Elles Augen und sollen nicht in den Bus einziehen. (Eine handballgroße Papierlaterne von der Feier aus dem Allgäu wohnt allerdings, ohne dass ich es vorher erfahren hätte, im Heck unseres Busses und wirft dafür, dass man sich nicht mehr seitlich anlehnen kann, ihr bescheidenes Licht in die Runde.) Aber gut, dafür gibt's ein 1a Stoff-ArtDéco-Brillenetui. Die Schlafbrille fand ich dann doch etwas zu prätentiös, obwohl man die gut gebrauchen könnte, weil die Stellplätze im Normalfall flutlichtmäßig beleuchtet werden und wir die Verdunkelungsvorhänge für den Bus ins hinterste Eck gepackt haben. In dem Zusammenhang muss ich noch eben erzählen, wie ein älteres Paar aus Rüdesheim, welches ebenfalls auf unserem Campingplatz steht, mir die Vorzüge einer klitzekleinen mobilen Keramikheizung anpries und mir ihr Modell auch sofort vorführte. Mein neuer heimlicher Fetisch, der bei nächster Gelegenheit in den Bus geschmuggelt wird.
Da die Schnürsenkel meiner Lederschuhe schon zu Beginn der Reise schlapp machten, müssen neue her – was Elle generös erlaubt. In einem Schuhladen aus einer anderen Zeit treffen wir auf Seniorchefin samt Mutter, die uns wortreich die Manufaktur ihrer Waren erläutern – selbstredend auf Spanisch. Wir nicken und lächeln, zu zauberhaft ist die Stimmung in diesem Samstag-Spätnachmittag-Laden, um zu erklären, dass wir kein Wort verstehen. Die Schnüre sind Made in China aber egal, entrückt geht es zurück in die Jetzt-Zeit.
Die Stadt schwankt zwischen Samstag- und Sonntagstimmung. Viele Geschäfte haben heute (Samstag) Nachmittag geschlossen (na toll), dafür Sonntag den ganzen Tag geöffnet. Das ist ganz clever, denn dann kommen zusätzlich die in die Stadt, bei denen sonntags (was der Normalfall ist) geschlossen ist – so habe ich es mir jedenfalls zusammengereimt. Es wird flaniert und geselfiet was das Zeug hält, man möchte meinen, ein Foto, bei dem man nicht selbst mit im Bild ist, ist reine Verschwendung. Ausflüge machen hier die Einheimischen genauso wie die Touristen, alles mischt sich angenehm mit den vielen Studenten, die in Gruppen durch die Gassen ziehen.
Kunst als Bau, am Bau, im Bau, – doch nirgends wirkt irgendetwas künstlich, ein Traum in ocker, beschienen von der tiefstehenden Abendsonne.
Und es gibt Schinken, quasi überall. Mit unserem 84 € Schinken aus Frankreich liegen wir preislich im Mittelfeld, wobei ich mich frage, welche Extrabehandlung Schweine kriegen, bei denen der Schinken das Doppelte kostet. (In der Hoffnung, dass die Preisspannen irgendwas mit der Tierhaltung zu tun haben und nicht ausschließlich mit der Gier der Händler.) Vermutlich werden sie wie Kobe-Rinder mit der Hand massiert, wobei ich nicht weiß, ob sich Schweine massieren lassen. Aber wir haben ja noch ein bisschen Zeit, es heraus zu finden.
(Kleiner Vorgriff: An unserem jetzigen Stellplatz in Portugal habe ich erfahren, dass die Hängebauchschweine des Betreibers es lieben, sich am Bauch kraulen zu lassen und dann selig auf den Rücken sinken.)
Hier noch ein kleiner Abstecher in die wunderbare Welt der Tapas. Während man beispielsweise in Paris für das Anschauen des Kellners schon einen Schein zücken muss, zahlt man hier für ein veritables Abendessen (wenn man alle konsumierten Tapas zusammenpackt) einen Spottpreis. Am Anfang dachten wir, die Bedienung hätte sich verrechnet, aber nein. Ein caña y pincho kostet nicht mehr als 2,50 €, was natürlich tendenziell mit dem Essen auch einigen Alkohol mit sich bringt, aber für 15 € wird man so oder so richtig satt.
Tapas bedeutet Abdeckung auf Spanisch und ist ursprünglich eine kleine kostenlose Beilage zum Getränk – so werden sie auch angeboten. Eine Legende besagt, dass die Wirte früher ein Stück Brot aufs Glas legten, um das Getränk vor Insekten zu schützen und mit einer Olive beschwerten, damit es nicht wegfliegt. So gesehen, hat es geradezu eine kambrische Explosion der Tapas gegeben, denn die Variationen sind unendlich, von einfach bis kunstvoll, von zierlich bis üppig. Außerdem ist die Tapasbar der Ort, an dem man sich trifft, um den Abend einzuleiten, bevor man dann noch richtig isst. Ein Steak kurz vor Mitternacht ist durchaus nicht ungewöhnlich. Erfreulicherweise sind auch Einheimische an den touristischen Orten anzutreffen und so ergibt sich ein angenehmes und unterhaltsames Miteinander.
Es werden alte Lieder gesungen (in der Bar am Plaza Major) und gegen TTIP demonstriert (vor dem Rathaus am Plaza Major), eigentümliche Versammlungen von Jugendlichen mit gruppendynamische Spielchen abgehalten (auf dem Boden am Plaza Major), Häuser abgemalt und im Park über der Stadt zum Sonnenuntergang – was sonst – Selfies geschossen.