Tanzplatz ohne Hexen, Kunst ohne Rahmen

Es ist Regen angesagt und wir beschließen, unter unserem Stellplatz-Blätterdach vor uns hin zu puzzeln, irgendwas gibt es schließlich immer zu tun. Doch der Vormittag bleibt trocken, gerade recht für einen Abstecher nach Thale. Elle puzzelt weiter, ich widme mich der lokalen Architektur.
Dem Ort fehlt ein Zentrum und wirklich jeder Neubau ist misslungen. Auf dem riesigen, zubetonierten Rathausvorplatz mit angrenzender Einkaufspassage, befinden sich ein Wotan-Brunnen und eine „sagenhafte“ Spielplatzanlage, beide künstlerisch nicht ungelungen, aber chancenlos gegen die Betonwüste, auf der sich die wenigen Besucher verlaufen.
Nur rund um den Bahnhof und dem angrenzenden Park hat es etwas Atmosphäre. Leider steht wegen der lokalen Attraktion, dem auf dem Hochplateau über der Stadt gelegene "Hexentanzplatz" alles im Ort im Zeichen derselben. Hexenlikör, Hexensenf, Hexenshirts, Hexenburger, Hexen hier, Hexen da und dort natürlich auch.
Da das Wetter stabil bleibt, entscheiden wir uns nach meiner Rückkehr für eine mittelweite Rundwanderung. Beginnend an der Bode entlang, dann 300 Höhenmeter hoch zum Hexentanzplatz und wieder zurück nach Thale. Vom Wanderstartplatz (der vom Coronatestzelt) geht es zum Eingang des Bodetals. Hier können wir uns nun von der 'Funinsel' leibhaftig überzeugen lassen, es erwartet uns ein mittelgroßer Hexenerlebnispark, mit allem, was man sich in einer mittelgroßen Stadt in Mitteldeutschland als Erlebnisparkingenieur an Gerätschaften für die konsumfreudige Familie ausdenken kann. Die Kinder finden es toll und die Eltern finden toll, dass es die Kinder toll finden, fair enough. Trotzdem schlimm.

Aber geht man ein paar Schritte rein ins Tal, bleibt der Trubel augenblicklich zurück – so gesehen ein win-win für alle, weil sich Spaßpark- und Naturfreund nicht in die Quere kommen. Das Bodetal ist beeindruckend, wild romantisch, und damit eindrucksvoller als unsere Wanderungen im Thüringer Wald, aber den hatten wir ja selbst entdeckt. Allerdings wirkt das Ganze ob seiner „Erschlossenheit“ seltsam künstlich.

Vorbei geht es an einer (inzwischen geschlossenen Höhle), in der schon vor mehr als 100 Jahren wegen des spektakulären Echos gegen Eintritt Böller gezündet wurden. Der clevere Böllerzünder wurde übrigens aufgrund der Lautstärke taub und von einem Pferdegespann überfahren. Nach etwa 2 km kommt auf der gegenüberliegenden Seite ein Gaststätte, die kurz nach Goethes Besuch eröffnete, also auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Der Sage nach durften nur Jungfrauen die Brücke über den Fluss queren, weil sonst Steine aus dem Fundament fallen würden. Das war natürlich schlecht fürs Geschäft, deswegen wurde fürderhin bei Jungfrauenüberquerung nur ein Glöckchen geläutet, die Brücke steht noch. Win-win.

Von hier geht es weitere 2,5 km und 300 Höhenmeter aufwärts – 'beschw. Aufstieg' steht auf dem Schild. Elle vermutet beschwerlich, ich bin für beschwingt. Wir sind die Einzigen, die aufsteigen. Es lohnt die Mühe, auch wenn man nach 5 min ob der hohen Luftfeuchtigkeit klatschnass geschwitzt ist. Nach einer beschwerlichen 3/4 Stunde sind wir beschwingt oben.

Und weiter geht’s zum Hexentanzplatz, den man allerdings nur mit Wohlwollen und Fantasie erahnt, denn ein riesiger Teil des Plateaus ist Parkplatz, auf dem anderen versammeln sich statt Hexen ein Café, ein Hotel und ein auf dem Kopf stehendes Hexenhaus. Abgerundet wird das Ganze durch einen Tierpark, eine Freilichtbühne und diverse Buden ... viel Platz zum Tanzen bleibt hier nicht. Vielleicht noch in dem unscheinbaren gekiesten Steinkreis mit den drei nackte Bronzefiguren?

Das ist er also, der Tanzplatz. Dargestellt sind der Teufel, ein Homunkulus und eine Hexe. Alleine für die Klapperlatschen der Hexe hat sich der Aufstieg gelohnt.

Der beschwerl. Abstieg geht recht fix und aus Versehen landen wir im Restaurant Athos, in dem nicht an den Portionen gespart und neonfarbige Kokoscreme-Cocktails (verm. Hexencocktails) serviert werden. Zurück durch den Ort passieren wir noch die ein oder andere H.-Kuriosität, ein überaus unterhaltsamer Tag findet sein kulturell-künstlerisches Ende.

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