6 Stunden, 3 Länder, 1 Auftritt

Um 9:22 verlassen wir den Campingplatz am Vierwaldstädter See, nach einer Bilderbuchfahrt durch den Appenzell ins schöne Allgäu, mit obligatem österreichischen Transit am Bodensee, klingeln wir 6 Stunden später bei Ricardos Eltern in Lohhof, um dort Ricardo, Kurt und Kurts Tochter zu treffen für unsere erste und einzige gemeinsame Probe vor dem abendlichen Auftritt im Freisinger Lindenkeller auf der Hartmut-Fischer-Show – Finale und Anlass dieser kleinen Herbstrundreise.

Ricardo hat zwei Songs rausgesucht, ein spanisches Traditional von einer seiner ersten CDs, das Hartmut immer besonders mochte und Bob Dylans 'Times they are a changing'. Der langjährige Leiter der Stadtjugendpflege in Freising, der mit diesem Konzert verabschiedet wird, hat in seinen fast 40 Dienstjahren unzählige Musiker gefördert, dafür gesorgt, dass der Lindenkeller ein Kulturort und kein Hotel wurde, im Circus Gammelsdorf Filme gezeigt wurden und politische Veranstaltungen stattfanden – alles Gründe, weshalb auch mich als Garchingerin damals München nicht interessieren musste. Die Disko im Lindenkeller war wichtiger als Schwabing, und irgendwann durfte auch ich hie und da auf der Bühne im Lindenkeller stehen, – Hartmut Fischer allerdings hatte ich vor diesem Tribute-Abend nie kennengelernt.

Von den vielen Musikern treten ein paar Auserwählte heute stellvertretend auf, wir teilen uns die Garderobe mit Prominenzen, unter anderm den Wellküren und Herbert + Schnipsi.

Aber das vielleicht Erwähnenswerteste und Unerwartetste dieses Abends findet am Rande statt: Ricardo singt sich in der Garderobe mit einem Cat-Stevens-Song ein und erkärt auf meine verblüffte Nachfrage, dass er gerade ein neues Programm einstudiere, und zwar "Songs of Love and Peace". Er hätte den Eindruck, die Lieder müssen dringend aufgeführt werden und stellt gerade das Repertoire dafür zusammen. Wir singen daraufhin spontan zweistimmig durch Dylan-Songs, müssen aber kurz drauf auf die Bühne.

Dirk wiederum hatte sich Backstage durchs Büffet gearbeitet (Musikerreflex), und daraufhin irgendwie das Bedürfnis, seine konsumierten Nudeln abzumusizieren. Und obwohl er eigentlich gar nicht fürs Programm eingeplant war und wir Kurt samt Tochter mit unserem wir-legen-unsere-Stimmen-einfach-in-der-Probe-kurz-vor-dem-Auftritt-fest schon sehr herausgefordert hatten, legt Dirk nach, indem er als Percussionist mit auf die Bühne kommt und einfach bei allem mitspielt. Und da war sie, die Geburtsstunde unserer Formation "Singers of Love & Peace". Tadaa.

Nachdem Freising schon halb auf dem Heimweg nach Berlin liegt, hatten wir uns zur Übernachtung bei Silvia & Helli angekündigt – das nächtliche auf den Hof fahren, Motor aus und schlafen ist ja bereits erprobt. Zum Sonntagsfrühstück kommen Birgit und Bernd, die Gärtnerriege ist also fast komplett, und bevor wir zur Heimfahrt wieder stundenlang im Auto sitzen, machen wir einen Ausflug in den Weltwald, einem 100 ha großen Areal, das nach Herkunft der Baumarten eingeteilt ist, also ein Wald, der in Nordamerika, Europa und Vorderasien sortiert ist. Verrückt, aber hübsch und ein würdiger Abschluss dieser Herbstsause.