Besuch in Oksbøl

Ich kenne Oksbøl aus den Erzählungen meines Vaters und seinen Schwestern, und von meiner Omi. Dort war das Lager, in dem sie 1945 nach ihrer Flucht von Danzig mit dem Schiff aufgenommen wurden. Dass dieser Ort so nah an unserem Dünencamping liegt, ist erst klar, als wir die Hinweisschilder entdecken –  wir sind 8 km entfernt und natürlich fahren wir hin. Bevor wir nun in diese andere Welt wechseln, hier ein paar Infos dazu.

Meine Omi hat mit ihren Kindern und zwei ihrer Schwestern mit deren Kindern drei Jahre dort verbracht. Sie waren zum Glück also ein Familienverbund inmitten der Tausenden, es lebten über 30.000 Menschen in den Baracken, in denen vormals Truppen beherbergt wurden, es war ein militärischer Übungsplatz. 1948 wurde das Lager aufgelöst, meine Omi kam mit den Kindern nach München (wieder in Baracken in Laim) und war dort endlich wieder mit meinem Opa vereint, der nach dem Krieg dort gelandet war.

Ich hab die Geschichten oft gehört, merkte aber immer, dass ich nicht wirklich begreifen bzw. nachempfinden konnte, wie das damals war, für Omi wie auch für die Kinder. Und meinen Vater als Ältesten, er war schon 11, die Schwestern 2 und 7 Jahre jünger, sie hatten beide wieder völlig andere Erlebnisse und Erinnerungen an das Lager. Ich hab immer wieder Fragen gestellt, war immer wieder aufs Neue fasziniert, was das für ein Leben gewesen sein muss, wie krass das Fliehen aus dem eigenen Haus war, das Zurücklassen von Heimat, Hab und Gut, ein paar Wochen vor Kriegsende, wieviel Optimismus man haben kann und muss, um Jahre im Lager zu überstehen. Und aktuell (dazu mit Afghanistan in den Nachrichten) wieviel Parallelen es immer noch gibt, immer wieder – und dass seitdem nichts besser geworden ist für Geflüchtete.

Auch damals waren die Geflüchteten abgeschottet, war der Kontakt zur Bevölkerung nicht erlaubt. Es hat sich eine eigene Stadt dort entwickelt, mit einem Bürgermeister, Schulen, Lazaretten, Theater – die Ausstellung auf dem Friedhof zeigt Bilder damaliger Szenen und beschreibt, wie das Leben im Lager war.
Mein Vater war mit seinen Schwestern und ihren Partnern vor 15 Jahren dort, um zu sehen, ob es noch was zu sehen gibt, doch auch damals war der Großteil des Geländes bereits Park und nur einzelne Gebäude noch erhalten – im Ort integriert und in neuem Gebrauch. Von dem Museum, was nächstes Jahr eröffnet werden soll, war noch nicht die Rede.

Wir waren als Familie nie in Dänemark, weder für Urlaub noch zur Vergangenheitsforschung, wir waren aber natürlich in Polen, in Sobowitz, dem Ort, in dem mein Vater geboren war und als Kind bis zur Flucht gelebt hat. Dänemark stand nie zur Debatte, jetzt ist mir klarer, warum, denn das Lager lag ja auch nicht wirklich im Land, es war außen vor, Omi und die Kinder konnten keine Beziehung zur dänischen Bevölkerung aufbauen. Es gab Oksbøl als Lager, aber nicht Oksbøl in Dänemark, als Ort eines Landes, in dem sie 3 Jahre ihres Lebens verbracht haben.

Aber vielleicht fahren wir 2022 zusammen hin, wenn das Museum eröffnet wird, wer weiß ...

Schreibe einen Kommentar