Midsommmmaaaaaar!

Es ist soweit!! Midsommarafton ist da – also der Tag VOR Midsommardag, der Freitag, den man gemeinsam in der Familie feiert und/oder auf dem Dorfplatz die Majstång, den Midsommarbaum aufstellt, sich mit Blumenkränzen schmückt, gemeinsame Tänze macht, bevor man dann am Samstag gemeinsame Ausflüge unternimmt. Da wird sich natürlich rasiert, ist ja wohl klar.

Henryk hat beim Nachbarn irgendwas beim Brunnenbau gewerkelt und wurde deswegen = besondere Ehre = zum Midsommerfest der Familie eingeladen. Hier möchte ich vorausschicken, dass ich – was man nicht machen sollte – einen Text mit "Wie benehme ich mich richtig in Schweden" gelesen habe. Kurz wiedergegeben: man kann eigentlich nur alles falsch machen, der Schwede ist aber viel zu höflich, einen darauf hinzuweisen, sondern leidet stumm an der rohen Art gerade der deutschen Besucher. Da der Schwede sehr familiär ist, ist eine private Einladung eine besondere Ehre und deswegen müssen die zarten Bande, die ausgeworfen werden, einem rohen Ei gleich mit aller Vorsicht behandelt werden. Ein Geschenk soll z.B. nicht mehr als 10 Euro betragen, da sich der Gastgeber sonst grämt, weil er immerzu daran denken muss, wie er sich revanchiert und damit ist die gute Stimmung von Anfang an im Keller, außerdem soll man nicht vorlaut sein und sich bloß nicht wichtig machen. All das saust mir durch den Kopf, als Henryk berichtet, dass er uns kurzerhand mit eingeladen hat und es am Telefon hieß, das sei okay – außer natürlich, der Schwede ist zu höflich, was zu sagen, denke ich. Elle bäckt noch einen Rhabarberkuchen und bleibt damit unter 10 Euro, aber womöglich ist ein selbstgebackener Kuchen schon Angeberei, na mal sehen, mit etwas Glück schmeckt er wenigstens nicht.

Gefeiert wird bei Stefan und seiner Frau. Den kennen wir bereits als ein Teil des Duos Stefan & Kim vom letzten Jahr. Das Haus liegt nicht weit von der Grube, gegenüber von Henryks neuem Haus, gehörte Stefans Großmutter (ihr Mann hat noch in der Grube gearbeitet und ist dort auch gestorben, wie wir erfahren), anwesend sind ausgewählte Freunde, die Geschwister und deren Partner.

Folgende Traditionen gehören zu einem richtigen Midsommarfest:
1. Bei den Vorbereitungen scheint die Sonne.
2. Wenn es losgeht, fängt es an zu regnen.
3. Man singt Volkslieder und trinkt nach jedem Lied einen Schnaps.
4. Man isst eingelegten Hering mit Kartoffeln.
5. Man tanzt auf dem Festplatz mit dem restlichen Dorf um eine Midsommarstang in körperlich bedenklichen Posen Kreisformationen und sieht zu, wie sich die männliche Dorfjugend in die Bewusslosigkeit trinkt, um den Mut zu haben, die weibliche Dorfjugend mit ihren blumenbekränzten Häuptern anzusprechen.
Oder Man ist familiär daheim und spielt im Garten ein Wurfspiel (nein, nicht das schwedische Kubb, sondern das finnische Mölkky), bei dem mit einem Wurfholz auf Zahlenkegel geworfen wird, bis alle richtig nass sind, regenbedingt.
6. Es regnet. Man wechselt den Tisch.
7. Man trinkt Kaffee und trinkt Rum. Und singt weiter Lieder.
8. Es regnet. Man wechselt nach drinnen.
9. Es wird draußen gegrillt und drin getrunken. Und gesungen.
10. Es regnet.

Unsere Runde ist ganz zauberhaft, die Gäste sind fast alle Musiker und haben Gitarren, Akkordeon, Trompete und Bouzuki dabei, es wird gesungen, gespielt, gegessen und moderat getrunken. Ich stürze mich mit dem Holen meiner eigenen Gitarre in die Behaviour-Grauzone zwischen bedenklicher Angeberei oder unengagierter Nichtbeteiligung (mehrmals dazu aufgefordert, was soll man da tun, wenn keiner sonst Linkshänder ist?). Let loose, was soll's, der steigende Alkoholpegel wird es richten, wir geben ein kurzes Ständchen zum Besten, was hoffentlich schwedenkarmisch durchgewunken wird. Flauschig fließt der Abend dahin und genau zum richtigen Zeitpunkt brechen wir auf, zurück zur Grube. Ich denke, wir haben's gut gemacht, auch wenn der Kuchen sehr lecker war.

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